Ausgangslage

Im Zuge des Ukraine-Kriegs sind die Lebenshaltungskosten in Deutschland stark angestiegen. Neben deutlich höheren Lebensmittel- und Kraftstoffpreisen sind auch die Energiekosten erheblich gewachsen. Diese werden in den kommenden Monaten teilweise sogar noch steigen – so erwartet die Bundesnetzagentur allein eine Verdreifachung des Gaspreises im Jahr 2023. Die hohen Preise treffen dabei vor allem Bürgerinnen und Bürger ohne bzw. mit kleinen und mittleren Einkommen. Deshalb ist es von dringender Notwendigkeit, dass auch im Verantwortungsbereich der Landesregierung für die Menschen in Baden-Württemberg ein Gesamtkonzept zur Bewältigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs umgesetzt wird.

Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges zeigen sich in vielen unterschiedlichen Bereichen. Die Energieversorgung in Deutschland ist in großem Maße von fossilen Energieträgern aus Russland
abhängig. Durch die Anstrengungen der Bundesregierung konnte diese Abhängigkeit bereits auf Anteile von unter 35 Prozent (Gas) bzw. 12 Prozent (Öl) und 8 Prozent (Steinkohle) reduziert werden. Nachdem die notwendigen Sanktionen gegen Russland verhängt wurden, besteht die ständige Drohung Russlands, die Gaslieferungen weiter zu reduzieren oder einzustellen. Ein Stopp der Lieferungen ist nicht auszuschließen.

Bürgerinnen und Bürger müssen beim Energiesparen aktiv beraten und auch finanziell unterstützt werden. Wer schon bisher im Alltag sparsam leben musste, hat wenig Raum für weitere Einsparungen. Wer mehr sparen könnte, hat auch heute nicht immer die ökonomische Notwendigkeit, dies zu tun. Daher müssen auch Sparziele gerecht verteilt werden und Menschen, die ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können, finanziell unterstützt werden.

Trotz explodierender Preise für Energie und Kraftstoff müssen die Bürgerinnen und Bürger mobil bleiben. Denn bezahlbare Mobilität bedeutet auch uneingeschränkte Teilhabe. Hierzu muss die Landesregierung ihren Beitrag leisten.

Die drastische Preisentwicklung beim Gas wird sich immer weiter auf die Preise für die Dinge des täglichen Bedarfs auswirken. So sind zusätzlich zu den steigenden Energiekosten auch die Lebensmittelpreise erheblich gestiegen. Diese belasten erneut vor allem einkommensschwache Haushalte und Familien mit 02 Kindern. Angesichts der hohen Belastungen durch massiv steigende Energie- und Lebenshaltungskosten ist eine schnelle Entlastung für Familien deshalb dringend notwendig.

1. Bezahlbare Mobilität für alle

Das 9 Euro-Ticket war ein großer Erfolg. Es hat einmal mehr gezeigt, dass es beim Öffentlichen Personennahverkehr auch auf den Preis und ein niederschwelliges Angebot ankommt. Deshalb unterstützen wir das Maßnahmenpaket 3 der Bundesregierung, das ein bundesweit gültiges ÖPNV-Ticket für 49-69 Euro im Monat vorsieht. Finanziert zu gleichen Teilen von Bund und Ländern (je 1,5 Mrd. Euro).

Von der baden-württembergischen Landesregierung erwarten wir, dass sie ihren großen Ankündigungen zur Stärkung des ÖPNV jetzt endlich auch Taten folgen lässt, konstruktiv in die anstehenden Bund-Länder-Gespräche geht und ihre Blockadehaltung sofort beendet. Außerdem muss sie den Landesanteil für das 49/69 Euro-Ticket (ca. 180 Mio. Euro pa.) bereits im Doppelhaushalt bereitstellen.

Die Zeitenwende mit explodierenden Preisen für Energie und Kraftstoffe muss nach unserer Ansicht auch Auswirkungen auf die Pläne der Landesregierung haben, die vorsehen den Kommunen durch die Einführung eines Mobilitätspasses die Generierung von zusätzlichen Mitteln zu ermöglichen, um damit den ÖPNV weiter auszubauen. Wir fordern die Landesregierung auf den geplanten Mobilitätspass zunächst auszusetzen. Der Mobilitätspass stellt eine zusätzliche finanzielle Belastung dar und wir gehen nicht davon aus, dass die Kommunen ihre Bürgerinnen und Bürger in der aktuellen Situation noch zusätzlich belasten wollen. Trotzdem muss der ÖPNV ausgebaut werden und die Qualität beim Angebot von Bussen und Bahnen verbessert werden. Hierfür muss das Land einen Beitrag leisten und die Kommunen beim Ausbau des ÖPNV unterstützen. Im nächsten Doppelhaushalt soll die Landesregierung Landesmittel in Höhe von 200 Mio. Euro für ein „Mobilität für alle“-Programm für Busse und Bahnen im Land bereitstellen. Damit soll ein Einstieg in einen landesweiten 15 Minuten-Takt im Ballungsraum und einen 30 Minuten-Takt im ländlichen Räumen finanziert werden.

2. Landesmittel für einen Energie-Scheck

Wir fordern einen Energie-Scheck in Höhe von 100 Euro für alle Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg. Der Energie-Scheck soll für die Wartung einer Gasheizung oder eine Energieberatung verwendet werden können. Eine optimal eingestellte Gasheizung verbraucht bei gleicher Wärmeleistung deutlich weniger. Denn eine gewartete Heizanlage senkt die Energiekosten so um bis zu 15 Prozent. Die hierfür erforderlichen Mittel müssen aus dem Landeshaushalt bereitgestellt werden.

3. Förderung für steckerfertige PV-Anlagen auf Balkonen

Steckerfertige Photovoltaikanlagen (ein oder zwei Module mit maximal 600 Watt Einspeisung ins Leitungsnetz der Wohnung) sind die einfachste und unbürokratischste Form, den eigenen Solarstrom selbst zu erzeugen und zu nutzen. Sie sind ideal, um den Stromverbrauch des eigenen Haushalts aus dem Netz merklich zu senken, wobei temporäre Überschüsse für alle ins öffentliche Netz gespeist werden und damit einen weiteren Beitrag zu Energiewende leisten. Sie können am Balkon, auf dem Dach oder an der Fassade angebracht oder einfach im Garten aufgestellt werden. Daher muss die Landesregierung ein Programm auflegen, das die Privathaushalte bei der Anschaffung unterstützt. Damit können die eigenen Energiekosten reduziert und gleichzeitig das Land bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien unterstützt werden. Gefördert werden sollten insbesondere ärgerliche Nebenkosten der Installation wie Zählertausch oder Einbau von Einspeisesteckdosen, die diese Anlagen unwirtschaftlicher machen.

4. Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher

Es kann Situationen geben, in denen Menschen unverschuldet ihre Miete oder Stromrechnung nicht mehr bezahlen können. Durch die steigenden Lebenshaltungskosten verschärft sich diese Problematik. Niemand darf Angst davor haben, im Winter frierend auf der Straße zu stehen. Mieterinnen und Mieter müssen geschützt werden. Deshalb fordern wir, dass ab Oktober 2022 auf Zwangsräumungen von Mietwohnungen verzichtet wird. Energiesperren müssen im Herbst und Winter zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher verboten werden. Die Landesregierung muss hierfür einen Notfallfond auflegen.

5. Kostenloses Mittagessen in Schule und Kita

Die steigenden Lebensmittelpreise belasten erneut vor allem einkommensschwache Haushalte und Familien mit Kindern – dies gilt in besonderem Maße auch für Alleinerziehende. Sie werden weiter abgehängt und selbst der Grundbedarf ist unter diesen Umständen nicht mehr für alle finanzierbar. Mit sozialpolitischen Maßnahmen muss den steigenden Lebensmittelpreisen deshalb etwas entgegengesetzt werden. Kindern muss in der Kita und in der Schule ein gesundes Mittagessen möglich gemacht werden. Das erfordert schrittweise die staatliche Kostenübernahme der mittäglichen Gemeinschaftsverpflegung in Schulen und Kitas für alle Kinder.

6. Brückenelterngeld einführen, um Familien ohne Kita-Platz finanziell abzusichern

Wir fordern die Einführung eines Brückenelterngeldes. Trotz Rechtsanspruchs werden viele Eltern keinen Betreuungsplatz für ihr Kind (ab 1 Jahr) erhalten. Die Landesregierung nimmt dies sehenden Auges zur Kenntnis und lässt die Eltern und die Kommunen im Regen stehen. Das Land ist gefordert hier ein belastbares Notfallkonzept zur Verfügung zu stellen. Wir fordern in dieser Notsituation, dass betroffene Eltern in Form des Brückenelterngelds eine Verlängerung des Elterngelds beantragen können. Die finanzielle Unterstützung in Form des Brückenelterngeldes kann notwendig werden, wenn Familien aufgrund einer Betreuungslücke zwischen dem geplanten Ende des Elterngeldbezugs und dem Start in der Kita unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten. Ohne Kita-Platz kann dann mindestens ein Elternteil, oft die Mutter, nicht wie geplant zurück in den Job. Das Brückenelterngeld ist ein niedrigschwelliges Angebot und schafft in diesen Fällen schnelle Abhilfe und Sicherheit. Es entspricht in seiner Höhe dem Basiselterngeld solange eine Kommune den Eltern keinen Betreuungsplatz anbieten kann. Um auch die Vergabe von Plätzen bei freien, kirchlichen und privaten Trägern zu berücksichtigen, muss die Kita-Platz-Vergabe von der Kommune zentral erfasst bzw. organisiert werden. Sobald über das Kita-Platz-Sharing
ein Betreuungsplatz frei wird und die Eltern eine Beschäftigung in Teilzeit aufnehmen, wird das Brückenelterngeld auf Niveau des ElterngeldPlus angepasst. Es entfällt, wenn das Kind einen Kita-Platz in Anspruch nehmen kann, den es nicht teilt.

7. Familien durch gebührenfreie Kitas finanziell stärken

Wir fordern die Abschaffung von Gebühren in der Kita und Kindertagespflege für alle Kinder von der Geburt bis zur Einschulung. Kita-Gebühren belasten die Familien und verschärfen den Druck gerade auf finanzschwächere Kommunen. Vor allem aber: Sie sind falsch, denn jedes Kind hat unabhängig vom Geldbeutel der Eltern Anspruch auf beste Bildung. In einem Umfang von 35-Stunden pro Woche ist Bildung und Betreuung in frühkindlichen Einrichtungen mit uns gebührenfrei. Das Land muss diesen finanziellen Ausgleich übernehmen. Für Kinder besteht damit nicht länger eine finanzielle Zugangshürde zu einem frühkindlichen Bildungsangebot – das sorgt für mehr Bildungsgerechtigkeit. Die gebührenfreie Kita leistet zudem einen wichtigen Beitrag zu mehr Gleichberechtigung, zur Prävention von Armut und zu einer starken Wirtschaft: Insbesondere Mütter müssen nicht länger abwägen, ob sich die Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung angesichts der hohen Kita-Gebühren überhaupt lohnt und stehen dem Arbeitsmarkt in größerem Umfang zur Verfügung.