MdL Ulrich Maurer: „Angesichts immer neuer widersprüchlicher Aussagen der Landesregierung ist ein Untersuchungsausschuss unausweichlich“

Die SPD-Landtagsfraktion sieht schwerste Versäumnisse von Behörden des Landes Baden-Württemberg im Zuge der FlowTex-Ermittlungen. „Jahrelang wurde konkreten Anzeigen nicht nachgegangen, Betrugsvorwürfe wurden unter den Tisch gekehrt, wichtige Aktennotizen wurden den Ermittlungsakten ‚lose beigeheftet‘, verschwanden dann und fanden sich Jahre später in einem ‚Leitzordner‘ ‚zuoberst eingeheftet‘ wieder“, stellte der SPD-Abgeordnete Ulrich Maurer fest. Es bleibe auch nach der jüngsten Antwort der Landesregierung zudem das Geheimnis von Justizminister Goll, warum bei Anzeigen gegen die FlowTex-Bosse Matthias und Manfred Schmider sowie gegen den Schmider-Vertrauten Morlok mit zweierlei Maß gemessen werde.

Offenkundig seien einige dieser Anzeigen, die teilweise bis in das Jahr 1996 zurückreichen, so konkret und kenntnisreich von Insidern verfasst, dass sie – nach jahrelanger Verschleppung – wenigstens jetzt zu neuen Ermittlungen wegen des möglicherweise vorgetäuschten Raubes gegen Manfred Schmider führen. Die in den gleichen Anzeigen vorgebrachten Vorwürfe gegen den FlowTex-Intimus Morlok dagegen werden vom Justizminister und Morloks-Parteifreund Goll mit der Bemerkung vom Tisch gewischt, sie seien „sehr pauschal und bieten wenig bis keine Ermittlungsansätze“ (Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der SPD, wonach inzwischen sechs Anzeigen gegen Morlok vorliegen).

Maurer: „Es ist schon merkwürdig, dass ein und dieselbe Anzeige für die Justiz jetzt so glaubwürdig ist, dass die früher eingestellten Raubermittlungen wieder aufgenommen werden, aber offenkundig nicht glaubwürdig genug, um den Vorwürfen gegen Morlok umfassend nachzugehen.“

Die SPD hat Justizminister Goll außerdem aufgefordert, öffentlich darzulegen, wer 1994 bei der Staatsanwaltschaft in Baden-Baden mit wessen Billigung oder auf wessen Anweisung die Ermittlungen gegen Schmider eingestellt hat, ohne zuvor die Betrugsvorwürfe zur Anzeige zu bringen. Maurer wies darauf hin, dass der FlowTex-Boss bei den Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung zu Beginn der neunziger Jahre den Finanzbehörden gegenüber offen die Täuschung von Kreditinstituten als Motiv seiner Scheingeschäfte genannt hat. Vor diesem Hintergrund ist es für Maurer völlig unverständlich, warum damals die Staatsanwaltschaft in Baden-Baden diesen von Schmider selbst eingeräumten Tatbestand ungeahndet unter den Teppich gekehrt hat und die Landesregierung dieses Vorgehen heute noch billigt.

Maurer: „Das Vorgehen von Behörden des Landes im Fall FlowTex stellt mittlerweile eine atemberaubende Ansammlung von ungewöhnlichen Entscheidungen und Unterlassungen dar, die sich merkwürdigerweise alle zu Gunsten von Schmider und seiner Mittäter ausgewirkt haben.“

Ins Wanken geraten sei auch die bisherige Behauptung des baden-württembergischen Finanzministeriums, über die Scheingeschäfte von FlowTex erstmals im Januar 2000 unterrichtet worden zu sein, kurz vor der Verhaftung von FlowTex-Boss Manfred Schmider. Das Finanzministerium habe jetzt nämlich einräumen müssen, dass es über Scheingeschäfte schon 1994 informiert war, wenngleich nur „in abstrakter Form“, wie das Finanzministerium jetzt zu seiner Verteidigung angibt. Es sei inzwischen eine handschriftliche Notiz eines Angehörigen des Finanzministeriums über eine Besprechung im April 1994 aufgetaucht, in der die Umsatzsteuerreferenten des Finanzministeriums und der damals noch drei Oberfinanzdirektionen „abstrakt“, also „ohne Namensnennung“ über die juristische Behandlung von Scheingeschäften beraten haben sollen.

Auch bei diesem Vorgang verbietet es sich aus Sicht von Ulrich Maurer, von Schlamperei zu reden. Ein solcher Vorwurf unterstelle, dass bei den Finanzbehörden und im Finanzministerium lauter unfähige Beamte arbeiteten.

Maurer wies demgegenüber darauf hin, dass nach Angaben der Landesregierung mindestens 50 Beamtinnen und Beamte der Oberfinanzdirektion Karlsruhe sowie der Finanzämter Baden-Baden, Ettlingen, Karlsruhe-Durlach, Karlsruhe-Stadt und Rastatt ab 1994 die Tatsache kannten, „dass Manfred und Matthias Schmider bereits in den Vorjahren durch Scheingeschäfte in Erscheinung getreten waren“.

Maurer: „Es ist eines der ganz großen Geheimnisse des Landes Baden-Württemberg, weshalb es nicht spätestens nach der sehr detaillierten anonymen Anzeige von 1996 zu einer erfolgreichen Strafverfolgung Schmiders und seiner Mittäter kam, obwohl so viele Beamte jahrelang so viel über die Methoden Schmiders wussten.


Entscheidung über Untersuchungsausschuss im nächsten Plenum

Angesichts immer neuer widersprüchlicher Aussagen der Landesregierung zum Verhalten von Justiz- und Finanzbehörden im FlowTex-Skandal ist für Ulrich Maurer ein Untersuchungsausschuss unausweichlich. Entscheiden werde die SPD-Fraktion darüber entsprechend ihrem bisherigen Fahrplan noch in diesem Monat. Der Landtag könnte dann bereits in seinem nächsten Plenum Anfang März über den Untersuchungsauftrag der SPD abstimmen.

Die SPD wolle der Landesregierung eine letzte Chance geben, die ausstehenden Parlamentsanträge zu FlowTex in einer angemessenen Frist noch zu beantworten. Dabei geht es insbesondere um die von der Regierung zugesagte Befragung von baden-württembergischen Finanz- und Steuerbeamten über den Zweck der Gespräche mit thüringischen Behörden, wo es angeblich darum ging, die Thüringer von FlowTex-Ermittlungen abzubringen. Außerdem hat die SPD noch nach der Nutzung von FlowTex-Firmenjets durch Regierungsmitglieder gefragt und danach, ob und mit wessen Billigung die Staatsanwaltschaft Mannheim bei FlowTex in eigener Sache ermittelt.