Der Rechtsexperte der SPD-Landtagsfraktion Dr. Boris Weirauch kann die große Enttäuschung der Betroffenen des Radikalenerlasses nach ihrem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten sehr gut verstehen. „Es ist enttäuschend und auch nicht nachvollziehbar, dass der Ministerpräsident bei der Aufarbeitung des Radikalenerlasses einen Rückzieher macht“, so Weirauch. „Kretschmann hat die Betroffenen zunächst ewig lang auf eine Entschuldigung warten lassen. Dann hat er bei ihnen mit Worten des Bedauerns für einen Moment Hoffnung geweckt, um anschließend der Einrichtung eines Entschädigungsfonds eine Abfuhr zu erteilen. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, die seit über 50 Jahren für eine entsprechende Aufarbeitung kämpfen,“ ergänzt Weirauch. Zudem zeigt Weirauch sich irritiert über die Aussage des Ministerpräsidenten, im Rechtsstaat wird nur Recht und nicht Gerechtigkeit gesprochen. „Das zeigt einmal mehr Kretschmanns eigenartiges Rechtsstaatsverständnis“, so Weirauch.

Der sogenannte Radikalenerlass hat vielfach zu Unrecht geführt und ist für viele Betroffene nach wie vor mit persönlichem Leid und Nachteilen verbunden“, so Weirauch, der sich seit seinem Einzug in den Landtag immer wieder für die Interessen der Betroffenen stark gemacht hat. Die Aufarbeitung duldet keinen weiteren Aufschub, insbesondere auch wegen des fortgeschrittenen Alters der Betroffenen. Der Ministerpräsident muss zeitnah einen Weg finden, seinem offenen Brief den nächsten Schritt folgen zu lassen. Die SPD hatte bereits in den Haushaltsberatungen die Einrichtung einer Ombudsstelle und eines Entschädigungsfonds gefordert. „Was hindert den Ministerpräsidenten daran, zeitnah eine Ombudsstelle als zentrale Anlaufstelle für die Betroffenen einzurichten und dort Entschädigungen zu prüfen?“, fragt sich Weirauch. „Eine Ombudsstelle mit einem Entschädigungsfond wäre ein ernstzunehmendes Zeichen von einem Ministerpräsidenten, der in Bezug auf die eigenen Erfahrungen mit dem Radikalenerlass anders als andere Menschen einfach Glück gehabt hat,“ ergänzt Weirauch. Darüber hinaus verweist Weirauch darauf, dass es auch in der Vergangenheit Beispiele gab, in denen Kompensationen für erlittenes Unrecht ohne individuelle Gerichtsurteile stattfanden.

Achim Winckler

Pressesprecher

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Simone Geßmann
Beraterin für Recht, Verfassung, Medienpolitik