Hier geht es zur PDF-Version:

Der Zusammenhalt unseres Gemeinwesens und der Bestand unserer rechtsstaatlichen Demokratie wird insgesamt und tagtäglich auf eine harte Probe gestellt. Nie war der Druck auf die zentralen Werte unserer Verfassung und auf die Demokratie so hoch wie jetzt: Rechtsextremismus, islamistischer Terror, eine Zunahme von Antisemitismus und die AfD, vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft, die Hass und Hetze schürt und Deportationspläne für Menschen mit Migrationshintergrund schmiedet, bedrohen unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Wir halten dagegen und setzen auf einen starken Staat. Für uns ist der Staat kein Selbstzweck, sondern er ist der Garant für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Pluralität, Respekt und Toleranz. Um allen Menschen in unserem Land zu ermöglichen, in Freiheit und Sicherheit zu leben, setzen wir uns als SPD für tat- und schlagkräftige Sicherheitsbehörden sowie eine Justiz ein, die Gefahren für unsere Demokratie vorbeugend entgegentreten und diese auch personell und technisch konsequent bekämpfen können.

Wir wollen unter anderem mit folgenden Maßnahmen dafür sorgen, dass unsere Demokratie wehrhaft bleibt:

  • Wir schützen den Verfassungsgerichtshof vor einer politischen Einflussnahme etwa durch gesetzliche Regelungen zum Ausscheiden von Berufsrichterinnen und Berufsrichtern oder im Falle des Scheiterns einer Wahl von Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofs und sichern so die Entscheidungsfähigkeit.
  • Wir wollen eine europa- und verfassungsrechtskonforme Mindestspeicherfrist für bestimmte Telekommunikationsdaten (Vorratsdatenspeicherung) unter Wahrung eines strikten Richtervorbehalts und nur zur Verfolgung schwerster Kriminalität wie Terrorismus oder des sexuellen Missbrauchs von Kindern.
  • Wir sorgen für einen attraktiven Polizeidienst, indem insbesondere Aufstiegschancen in den gehobenen Dienst verbessert und Zulagen für die Polizei erhöht werden.
  • Wir stärken insbesondere die Staatsanwaltschaften in einem ersten Schritt mit 80 zusätzlichen Stellen und führen eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Rechtsextremismus ein, um eine zügige Strafverfolgung zu ermöglichen.
  • Wir wollen effektive Präventionsarbeit gegen rechtsextreme Strukturen leisten, indem bestehende Ausstiegsprogramme bei dem Kompetenzzentrum gegen Extremismus Baden-Württemberg (konex) auf ausstiegswillige AfD-Mitglieder erweitert und die hierfür notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden.
  • Wir wollen ein Landesprogramm „Wehrhafte Demokratie“ zur Stärkung der Demokratie sowie zum Schutz gegen autoritäre und totalitäre Einstellungen auflegen.
  • Wir stehen für ein Verbot des Wolfgrußes als Erkennungszeichen der türkischen Rechtsextremen.

 1. Widerstandsfähiger Staat

1.1 Demokratie geht vom Volke aus

Eine Demokratie kann immer nur von der großen Mehrheit demokratisch denkender und handelnder Bürgerinnen und Bürger getragen und auch verteidigt werden. Es liegt an uns allen täglich dafür einzustehen, dass auch diejenigen ihre Meinung äußern können, die wir nicht teilen.

Wir müssen Spaltung und Hetzte entschieden entgegentreten. Nicht immer ist das einfach und doch sorgen kleine Gesten wie das Einstehen für Menschen, die etwa in einer U-Bahn bedroht, beleidigt oder sexistisch belästigt werden dafür, genau jenen Zusammenhalt zu schaffen, der uns verloren zu gehen scheint.

1.2 Absicherung demokratischer Institutionen

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • die bislang geübte Praxis, dass die Pensionierung einer Berufsrichterin oder eines Berufsrichters als Richterin oder Richter am Verfassungsgerichtshof nicht zum automatischen Ausscheiden führt, gesetzlich zu verankern;
  • die Entscheidungsfähigkeit des Verfassungsgerichtshofs für den Fall des Scheiterns einer Nach- oder Ergänzungswahl sicherzustellen;
  • dass Personen, die wegen Volksverhetzung oder dem Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen verurteilt wurden, von der Wählbarkeit kommunaler Wahlämter ausgeschlossen werden können.

In Polen und Ungarn wurde uns schmerzlich vor Augen geführt, wie Populisten insbesondere die Justiz, die Medien und die Kultur als ihren Spielball missbrauchen und gezielt attackieren. Dies macht deutlich, dass wir auch in unserem Bundesland unsere Institutionen verfassungsfest machen müssen. Dies gilt in erster Linie für den Verfassungsgerichtshof, der für Baden-Württemberg in vielfältigen verfassungsrechtlichen Streitigkeiten entscheidet und dabei eine schützende Grundposition mit Blick auf Grundrechte, den Schutz von Minderheiten und Grundprinzipien wie der freien Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Sozialstaatlichkeit einnimmt. Die Diskussion um die Einführung eines Zwei-Drittel-Quorums bei der Wahl der Verfassungsrichter in Baden-Württemberg halten wir wegen der damit verbundenen Gefahr der Sperrminorität und Blockademöglichkeit in Baden-Württemberg nicht für zielführend. Vielmehr braucht es andere Mechanismen, den Verfassungsgerichtshof vor möglichen Angriffen zu schützen. Im Hinblick auf die Lehren, die man beispielsweise aus der Absenkung des Pensionsalters bei Richterinnen und Richtern in Polen ziehen kann, fordern wir die geübte Praxis, pensionierte Richterinnen und Richter nicht automatisch ausscheiden zu lassen, in eine gesetzliche Normierung zu überführen. Wir benötigen eine Regelung in der Verfassung, dass der Spruchkörper als solches geschützt wird und auch dann entscheidungsfähig bleibt, wenn eine Nach- oder Ergänzungswahl im Landtag zu keiner Entscheidung führt. Hierzu müssen wir im Einvernehmen mit den anderen demokratischen Fraktionen eine Entscheidung treffen. Wir müssen außerdem verhindern, dass einfachgesetzliche Verfahrensregelungen geschaffen werden können, die den Verfassungsgerichtshof in seiner Arbeit beeinträchtigen könnten.

Nicht nur der Verfassungsgerichtshof, auch unsere kommunale Selbstverwaltung muss vor dem Zugang von Verfassungsfeinden geschützt werden. Auf kommunaler Ebene finden die demokratischen Prozesse statt, deren Ergebnisse unmittelbar vor Ort spürbar werden. Wenn kommunale Wahlämter von Antidemokraten besetzt werden, gefährdet dies unsere Demokratie. Wir fordern daher, dass Personen, die wegen Volksverhetzung oder dem Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen verurteilt wurden, von der Wählbarkeit ausgeschlossen werden können.

2. Konsequenter Staat

Die aktuellen Bedrohungen erfordern, dass wir die Abwehrkräfte unserer Demokratie gegen ihre Feinde noch intensiver als bisher in den Blick nehmen und diese verstärken. Dazu gehört insbesondere, dass der Staat mit allen rechtsstaatlichen Mitteln und konsequent gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen, Strukturen, Vereine, Parteien und auch Einzelpersonen vorgehen können muss. Die zuletzt von SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser ausgesprochenen Verbote der Neonazi-Vereinigung „Hammerskins Deutschland“ oder des Magazins „Compact“ als zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene sind ein starkes Signal im Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus.

Auch in Baden-Württemberg muss unmissverständlich klar sein: Organisationen und Vereine, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung stellen, bekommen Probleme. Wenn in unserem Land beispielsweise in salafistischen Gebetsräumen Hass, Hetze und Antisemitismus verbreitet werden, wenn man dort zu Gewalt aufruft oder sie gar feiert – dann schließen wir diese Räume.

Wir unterscheiden nicht zwischen auslandsbezogenem und inländischem Rechtsextremismus. Wir handeln nach gleichen Maßstäben. Der Wolfsgruß ist das Erkennungszeichen der türkischen Rechtsextremen. Wir sollten dieses Zeichen nicht verharmlosen. Ein Verbot dieses Zeichens ist überfällig.

Menschen, die nach Deutschland kommen und hier schwere Straftaten begehen, müssen nach der Verbüßung ihrer Strafe konsequent abgeschoben werden. Wer die Freiheiten, die unser Land gewährt, missbraucht, verspielt jedes Bleiberecht.

2.1 Verfassungsschutz als Frühwarnsystem

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • den Verfassungsschutz mit den erforderlichen Eingriffsbefugnissen auszustatten und ihm die notwendigen personellen und technischen Mittel zur Verfügung zu stellen;
  • dem Landesamt für den Verfassungsschutz neuen Räumlichkeiten, die zeitgemäß sind und den neuen Herausforderungen gerecht werden, zur Verfügung zu stellen;
  • dem Parlamentarischen Kontrollgremium einen Ständigen Bevollmächtigten zur Unterstützung an die Seite zu stellen und zu gewährleisten, dass auch die Opposition ein Vorschlagsrecht bei der Besetzung der G-10 Kommission erhält.

Der Verfassungsschutz ist wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur unseres Landes und als Frühwarnsystem zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung unerlässlich. Für uns als SPD steht dabei – offenbar anders als für die AfD – außer Frage, dass das Landesamt für Verfassungsschutz als eigenständige Behörde frei von parteipolitischer Einflussnahme und ausschließlich auf Grundlage der geltenden Gesetze über Maßnahmen zum Schutz unserer Verfassung entscheidet.

Neben radikalen Terrorgruppen im herkömmlichen Sinn nimmt insbesondere der sogenannte „führerlose Widerstand“, d.h. unabhängig voneinander handelnde Täter mit einem gemeinsamen ideologischen Überbau, eine immer größere Bedeutung innerhalb der terroristischen Szene ein. Die Bekämpfung dieser Art von Tätern mit polizeilichen und geheimdienstlichen Mitteln ist wesentlich schwerer, da hier herkömmliche Anknüpfungspunkte in der interaktiven Kommunikation fehlen.

Das Landesamt für Verfassungsschutz muss personell und technisch so ausgestattet sein, dass es Bedrohungen durch politischen Extremismus, Terrorismus sowie Spionage rechtzeitig erkennen und einschätzen kann. Neben Investitionen in die Ausstattung ist eine zeitgemäße Unterbringung des Landesamtes unabdingbar. Davon sind wir derzeit weit entfernt. Deshalb wollen wir das Landesamt in neuen und den Herausforderungen angemessenen Räumlichkeiten unterbringen. Dies muss nicht zwangsläufig in der Landeshauptstadt erfolgen.

Außerdem sind auch weitreichende nachrichtendienstliche Eingriffsbefugnisse erforderlich, um mit den Verfassungsfeinden „auf Augenhöhe“ agieren zu können. Die Eingriffsbefugnisse müssen dabei selbstverständlich den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Stand halten können. Wir bekennen uns als SPD klar zum Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei, allerdings braucht es nach unserer Überzeugung eine intensivere Interaktion, insbesondere auch mit den Ordnungs- und Waffenbehörden vor Ort. So ist es beispielsweise keinesfalls hinnehmbar, dass Rechtsextremisten und Reichsbürger mit staatlicher Erlaubnis Waffen besitzen dürfen.

Ein starker Verfassungsschutz braucht auch eine starke parlamentarische Kontrolle. Unter der grün-roten Regierungsmehrheit wurde 2015 in Baden-Württemberg das sog. G 10-Gremium erstmals durch die Einrichtung eines Parlamentarisches Kontrollgremiums (PKG) abgelöst, das die Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz überwacht. Fast zehn Jahre danach ist es an der Zeit, die Kontrollbefugnisse des PKG den in den vergangenen Jahren steigenden Anforderungen ebenfalls anzupassen. Um eine strukturelle Kontrolle auch künftig effektiv zu gewährleisten, fordern wir – analog der Bundesebene – die Einrichtung eines Ständigen Bevollmächtigten, der das PKG dauerhaft als Hilfsorgan unterstützt und der insbesondere im Auftrag und auf Weisung des Gremiums ausgewählte Sachverhalte näher überprüfen kann. Darüber hinaus ist bei der Besetzung der 3-köpfigen G 10-Kommission künftig sicherzustellen, dass auch den Oppositionsfraktionen mindestens ein Vorschlagsrecht bei der Wahl der Mitglieder im Landtag zukommt.

2.2 Schlagkräftige Polizei

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • eine europa- und verfassungsrechtskonforme Mindestspeicherfrist für bestimmte Telekommunikationsdaten (Vorratsdatenspeicherung) unter Wahrung eines strikten Richtervorbehalts und nur zur Verfolgung schwerster Kriminalität wie Terrorismus oder des sexuellen Missbrauchs von Kindern einzuführen;
  • die Polizei mit den technischen Mitteln auszustatten, die erforderlich sind, um die Quellen-Telekommunikationsüberwachung überhaupt nutzen zu können;
  • mit Blick auf Aufstiegschancen mehr Stellen im gehobenen Polizeivollzugsdienst zu schaffen;
  • mit einer Erhöhung der Zulage für den lageorientierten Dienst sowie der allgemeine Polizeizulage die notwendigen finanziellen Anreize für eine starke personelle Ausstattung der Polizei zu setzen;
  • eine hinreichende Anzahl von Polizeiseelsorgern vorzusehen;
  • ein klares Signal durch die Spitze der Polizei zu setzen, dass sexuelle Belästigung nicht geduldet wird und Menschen, die Missstände offenlegen, geschützt werden;
  • über Beförderungen in Führungsämter der Polizei entscheidet nicht länger die Polizeiführung alleine, sondern mit Beteilung des Hauptpersonalrats und der zuständigen Personalabteilung des Innenministeriums.

Verpflichtende Mindestspeicherfrist für bestimmte Telekommunikationsdaten (Vorratsdatenspeicherung) und Nutzung der Quellen-TKÜ

Die zunehmende Verlagerung des gesellschaftlichen Lebens ins Internet führt auch zu einer Verlagerung der Kriminalität. Bei der Verfolgung von Kinderpornographie oder organisierter Kriminalität sind wir auf Erkenntnisse ausländischer Sicherheitsbehörden angewiesen. Bei uns hängt es vom Zufall ab, ob bei einer Anfrage durch Polizeibehörden bei den privaten Internetanbietern noch Daten (insbesondere IP-Adressen und Portnummer) gespeichert sind und herausgegeben werden können, oder ob diese bereits gelöscht wurden. Wir setzen uns dafür ein, dass unter Wahrung der strengen Regelungen, die der EuGH und das BVerfG mit Blick auf den Schutz der Persönlichkeitsrechte zurecht aufgestellt haben, eine verpflichtende Mindestspeicherfrist eingeführt wird. Entscheidend ist dabei, dass diese Regelung die betroffenen Rechtsgüter angemessen abwägt und so die Bürgerinnen und Bürger einerseits den Strafverfolgungsbehörden vertrauen können und andererseits die Polizei mit einer rechtssicheren und verlässlichen Ermächtigungsgrundlage handlungsfähig wird. Dabei bedarf es insbesondere einer klaren Frist. Zahlen des BKA zeigen, dass bei einer Speicherfrist von etwa 30 Tagen Anfragen in mehr als 90 % der Fälle erfolgreich wären. Eine Abfrage dieser Daten muss zusätzlich unter einem strengen Richtervorbehalt stehen und nur zur Bekämpfung schwerster, katalogartig aufgeführter Straftaten aus dem Bereich des Terrorismus, des sexuellen Missbrauchs und insbesondere der Kinderpornografie und der organisierten Kriminalität zulässig sein.

Die Schaffung neuer gesetzlicher Ermächtigungen alleine genügt aber nicht, wie auch der Fall der Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) in Baden-Württemberg zeigt: Seit ihrer Einführung zum 8. Dezember 2017 kam dieses Instrument nicht ein einziges Mal zum Einsatz. Die Quellen-TKÜ ist ein eigentlich wichtiges Werkzeug, weil auf diese Weise auf Kommunikationsdaten zugegriffen werden kann, bevor diese verschlüsselt und versandt werden. Infolge einer zunehmenden Verschlüsselung der Kommunikation ist dies ein wichtiges Mittel für die Gefahrenabwehr durch staatliche Sicherheitsbehörden. Jedoch fehlt es an einer technischen Lösung für die Sicherstellung, dass lediglich laufende Kommunikation überwacht wird und nicht auf andere auf dem Gerät liegende Daten zugegriffen wird. Erforderlich ist daher, dass die Polizei endlich mit den notwendigen Mitteln ausgestattet wird, um Gefahren effektiv bekämpfen zu können. Andernfalls droht die Gefahr, dass Baden-Württemberg in diesem Bereich abgehängt wird.

Attraktivität des Polizeiberufs steigern: Polizeizulagen erhöhen

Voraussetzung für eine starke Polizei ist eine starke personelle Ausstattung. Damit der Polizeiberuf auch in Zukunft noch attraktiv ist, braucht es gute Rahmenbedingungen. Wertschätzung der Arbeit, eine gute und moderne Führungskultur, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie gute Aufstiegschancen innerhalb der Polizei sind wichtige Bestandteile.

Daneben bedarf es finanzieller Verbesserungen. Gerade die Besoldungsgruppen A8 und A9 sind besonders häufig von Einsätzen an Wochenenden, Feiertagen oder in der Nacht betroffen. Die Höhe der lageorientierten Zulage ist schon lange nicht mehr angemessen und wir fordern daher die Anhebung auf mindestens 6,00 € pro Stunde. Dies ist auch eine Wertschätzung für die Arbeit im Streifendienst, der aufgrund des Schichtdiensts mit einer besonderen Belastung einhergeht.  Für die Polizei suchen wir dringend nach qualifiziertem Nachwuchs und hierfür sind auch finanzielle Anreize notwendig. Deshalb wollen wir insgesamt die Allgemeine Polizeizulage erhöhen.

Ausstattung mit hinreichender Anzahl von Polizeiseelsorgern

Zu einer schlagkräftigen Polizei gehört es auch, dass wir diese mit einer hinreichenden Anzahl an Polizeiseelsorgern ausstatten. Polizistinnen und Polizisten sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Gewalt von Straftäterinnen und Straftäter zu erleben und Opfer von Gewalt zu werden, selbst Gewalt im Rahmen des Gewaltmonopols einsetzen zu müssen oder Gewalttaten mitanzusehen, denen andere zum Opfer fallen Insbesondere der Tod von anderen Menschen und vor allem von Kolleginnen oder Kollegen kann schwere Wunden verursachen. Dabei ist es wichtig, dass die Polizeiseelsorge gut und breit aufgestellt ist, damit alle Polizistinnen und Polizisten mit ihren unterschiedlichen Hintergründen, religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen Hilfe finden können, wenn sie diese benötigen.

Konsequenzen aus dem Fall des Inspekteurs der Polizei

Der Fall des Inspekteurs der Polizei hat deutlich ans Licht gebracht, dass Vorfälle sexuelle Belästigung im Bereich der Polizei, aber auch in der übrigen Landesverwaltung, ein Thema ist, das nicht unter den Teppich gekehrt werden darf und der Umgang damit noch stark verbessert werden muss.

Es bedarf dafür Dienstvorschriften zum Umgang mit sexueller Belästigung als klares Signal von der Spitze der Polizei, dass solches Verhalten nicht geduldet und Personen, die Missstände offenlegen, geschützt werden. Meldewege für Vorfälle sexueller Belästigung müssen klar festgelegt und kommuniziert werden, die weiteren Schritte inklusive eines Zeitplans müssen klar sein. Es darf nicht sein, dass Opfer von sexueller Belästigung im Unklaren über den weiteren Prozess gelassen werden oder darüber in welchem Zeitraum den Vorwürfen nachgegangen und diese geklärt werden.

Der Fall des Inspekteurs der Polizei hat außerdem offengelegt, dass die Spitze der Polizei ihrer Führungsverantwortung nicht gerecht wird. Konspirative Beförderungssitzungen und geheime Beförderungslisten müssen endlich der Vergangenheit angehören. Wir fordern, dass nicht mehr alleine die Polizeiführung darüber entscheiden kann, wer in Führungsämter befördert wird, sondern bei der Beurteilung und der Auswahlentscheidung der Hauptpersonalrat effektiv und mit eigenen Rechten eingebunden wird. Hinzukommen muss eine Beteiligung der im Innenministerium zuständigen Abteilung für Personal.

2.3 Handlungsfähiger Rechtsstaat

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • dass uns die zügige und noch bessere Strafverfolgung etwas wert sein muss und wir insbesondere die Staatsanwaltschaften in einem ersten Schritt mit 80 zusätzlichen Stellen stärken
  • eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Rechtsextremismus einführen zu wollen.

Jedem muss klar sein, dass mehr Gesetze auch mehr Personalbedarf an den Gerichten oder den Strafverfolgungsbehörden schafft. Richtigerweise hat der Bundesgesetzgeber in den vergangenen Jahren die Gesetzgebung verschärft hat, insbesondere in den Bereichen der Hasskriminalität, der Volksverhetzung, auch im Sexualstrafrecht wurden Rechtslücken geschlossen. Man hat mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz einen weiteren Rahmen geschaffen, damit auch das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Allein in Baden-Württemberg wurde im Jahr 2023 mit insgesamt 1.514 Straftaten im Zusammenhang mit Hass und Hetze ein neuer Höchststand im 10-Jahres-Vergleich registriert. Ein starker Rechtsstaat definiert sich nicht darüber, dass er Recht setzt, sondern auch dadurch, dass er dem Recht möglichst zügig Geltung verschafft. Im Hinblick auf diese Herausforderungen und die steigenden Verfahrenseingänge in den vergangenen zehn Jahren ist der akute Personalmangel bei den Staatsanwaltschaften im Land unübersehbar und besorgniserregend. Wir fordern die Landesregierung eindringlich auf, hier entsprechend nachzusteuern und ausreichend neue Stellen für Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zu schaffen. Im ersten Schritt fordern wir 80 zusätzliche Stellen, um eine konsequente, spürbare und schnelle Strafverfolgung sicherzustellen.

Gleichzeitig müssen sich die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen auch in der organisatorischen Struktur der Justiz abbilden, einerseits um Synergien zu nutzen, andererseits um ein klares Zeichen zu setzen. Wir unterstützen, dass mit dem neu eingerichteten staatsanwaltschaftlichen Cybercrime-Zentrum in Karlsruhe die notwendige Spezialisierung zur gezielten und effektiveren Bekämpfung gegen virtuelle Kriminalität vorgenommen wurde. Eine solche Fokussierung fordern wir auch für Straftaten mit einem rechtsextremistischen Hintergrund durch die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften Rechtsextremismus.

3.Präventiver Staat

3.1 Entschlossen gegen Desinformation und Fake News im Netz

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • ein ganzheitliches Konzept zur Stärkung von Medienkompetenz unter Einbeziehung der Landesanstalt für Kommunikation zu etablieren.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die mediale Verbreitung von falschen und irreführenden Informationen eine enorme Wirkung auf Mediennutzerinnen und Mediennutzer haben und dass das Vertrauen derjenigen, die unserer Demokratie bereits kritisch gegenüberstehen, weiter sinkt. Sehr entscheidend ist deshalb, dass wir insbesondere Jugendliche und Kinder vor Desinformation vor allem als gezielte Einflussnahme radikaler Kräfte in Social Media schützen und diese befähigen, Fake News klar von Fakten zu unterscheiden, um den Populisten nicht auf den Leim zu gehen. Dies erfordert ein ganzheitliches Konzept zur Stärkung der Medienkompetenz auf allen Ebenen in unserem Land. Die Landesanstalt für Kommunikation hat sich dabei bereits eine hervorragende Expertise im Bereich Kinder- und Jugendmedienschutzes erworben. Diese sollte stärker als bislang genutzt werden, um Kinder und Jugendliche frühzeitig mit entsprechenden Projekten in die Lage zu versetzen, die Gefahren wie Hass, Mobbing, Pornografie und Falschinformationen rechtzeitig zu erkennen und sich dagegen zu wappnen.

3.2 Stärkere Landesförderung zivilgesellschaftlichen Engagements

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • einen Aufbruch für Demokratie, indem Projekte zivilgesellschaftlicher Akteure zur Demokratieförderung und Extremismusprävention durch ein Landesprogramm „Wehrhafte Demokratie“ und Verpflichtungsermächtigungen auf eine verlässliche finanzielle Grundlage („1 Euro je Bürgerin und Bürger“) gestellt werden;
  • bestehende Ausstiegsprogramme bei dem Kompetenzzentrum gegen Extremismus Baden-Württemberg auf ausstiegswillige AfD-Mitglieder zu erweitern und die hierfür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen.

Prävention ist die beste Vorsorge vor extremistischen Straftaten und vor einem Abrutschen in extremistische Szenen. Unter der damaligen SPD-Familienministerin Manuela Schwesig wurde bereits im Jahr 2015 das Bundesprogramm „Demokratie leben“ ins Leben gerufen. Das Land macht sich bislang einen schlanken Fuß und zieht sich weitgehend auf eine Kofinanzierung des Demokratiezentrums Baden-Württemberg auf niedrigem Niveau zurück, ohne dass bis heute ein schlüssiges demokratieförderndes Landeskonzept vorgelegt wurde. Spätestens jetzt brauchen wir aber auch in Baden-Württemberg einen Aufbruch für Demokratie und ein eigenständiges Landesprogramm „Wehrhafte Demokratie“, das darauf abzielt, die Werte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der Demokratie aktiv in den Mittelpunkt zu stellen, diese zu stärken und gegen autoritäre und totalitäre Einstellungen zu schützen. Als Ergänzung zu staatlichen Programmen sollen kommunale Strukturen zur Demokratieförderung und Extremismusprävention gestärkt und Einzelprojekte zivilgesellschaftlicher Träger in unserem Land gefördert und durch Verpflichtungsermächtigungen auf eine verlässliche finanzielle Grundlage gestellt werden, um mit entsprechenden Präventionsprogrammen insbesondere Jugendliche und Kinder robust gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit vor Ort und in der Fläche zu machen. Das Landesprogramm ist nach einer Laufzeit von zwei Jahren auf seine Wirksamkeit zu evaluieren und gegebenenfalls an neue Herausforderungen und Entwicklungen anzupassen

Der Staat muss auch immer Wege zurück in die demokratische Gesellschaft aufzeigen. Wer sich glaubwürdig von einer verfassungsfeindlichen Ideologie distanziert, dem müssen wir eine Brücke zurück in die Gesellschaft bauen.

Allein in Baden-Württemberg beläuft sich das geschätzte Personenpotenzial der extremistischen Kräfte und Teilstrukturen in der AfD (Verdachtsfall) auf 620 Personen. Angesichts der zunehmenden Radikalisierung der AfD fordern wir als SPD gezielte Unterstützung auch für ausstiegswillige AfD-Mitglieder, die einen Ausweg aus der rechtsextremistischen Spirale aus Hass und Hetze suchen. Wie schwer so ein Ausstieg und Parteiaustritt sein kann, hat u.a. die ARD-Dokumentation „Wir waren in der AfD – Aussteiger berichten“ eindrücklich gezeigt. Der Weg raus aus der Extremismus-Spirale kann, auch aufgrund von sozialen oder gar finanziellen Abhängigkeiten, sehr lang und steinig sein. Die AfD ist eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung in unserem Land. Gegen diese Gefahr muss sich eine wehrhafte Demokratie verteidigen. Das beim Landeskriminalamt angesiedelte Kompetenzzentrum   gegen Extremismus Baden-Württemberg (konex) verfügt über eine hervorragende Expertise über alle Phänomenbereiche hinweg. Als SPD fordern wir die gezielte Ausweitung und Anpassung bestehender Programme unter anderem auf ausstiegswillige AfD-Mitglieder. Spätestens im kommenden Doppelhaushalt hat die Landesregierung dafür Sorge zu tragen, dass konex und die weiteren zuständigen Beratungsstellen im Land finanziell so ausgestattet werden, dass sie auch den zu erwartenden Beratungsbedarf bewältigen können.

3.3 Flächendeckender Ausbau Häuser des Jugendrechts

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • die Häuser des Jugendrechts in ganz Baden-Württemberg flächendeckend auszubauen.

Die Jugendkriminalität in Baden-Württemberg ist zuletzt wieder gestiegen, insbesondere bei Gewalttaten. Es braucht einen ganzheitlichen Ansatz, Jugendkriminalität wirksam und früh entgegen zu wirken.

Die Häuser des Jugendrechts, in denen unterschiedliche Expertinnen und Experten aus den Bereichen Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendämtern gemeinsam ins Spiel kommen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, haben sich als Grundidee einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit insbesondere durch optimierte Verfahrensabläufen mit kurzen Kommunikationswegen bewährt. Es kann allerdings nicht sein, dass eine konsequente Bekämpfung von Delinquenz junger Menschen im Land abhängig ist vom Wohnort der jugendlichen Straftäter. Die Häuser des Jugendrechts müssen flächendeckend in allen 17 Landgerichtsbezirken Baden-Württembergs etabliert werden.

3.4 Radikalisierung frühzeitig entgegentreten

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • Menschen, die in die Gefahr geraten, sich zu radikalisieren, mit demokratischen Angeboten frühzeitig anzusprechen und gleichzeitig konsequent gegen Menschen vorzugehen, die planen schwerste Straftaten zu begehen oder diese tatsächlich begehen.

Allen Radikalisierungen, egal ob es sich um islamistische oder rechtsextremistische Radikalisierungen handelt, ist gemein, dass sie oft an Jugendliche oder junge Erwachsene gerichtet sind, die in einem Moment der Orientierungslosigkeit vermeintliche Klarheit und Sinn in den angebotenen Deutungen der Welt sehen. Die Aufgabe eines präventiven Staates ist es, zu erkennen aufgrund welcher äußeren Umstände wie eines Schulabbruchs oder Jobverlusts Menschen empfänglich für Extremisten werden, welche Räume insbesondere in sozialen Medien genutzt werden, um als Echokammern Menschen   einzufangen und mit attraktiven Gegenmodellen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzustehen. Insbesondere der Dialog als Mittel zur Vermeidung und zum Abbau von bestehenden Vorurteilen muss dabei genutzt werden. Wer im Austausch und Kontakt mit Menschen steht, wird diese nicht einfach pauschal der Gruppe der „Anderen“ oder der „Fremden“ zuweisen, sondern erkennt in etwa aus einem anderen Land nach Deutschland und Baden-Württemberg geflüchtete Menschen Nachbarinnen und Nachbarn, Freundinnen und Freunde sowie Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen.

Die Schließung islamistischer, insbesondere salafistischer Moscheen und die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene mit Moscheen, die auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung stehen, zur Prävention von Radikalisierungen und zur Stärkung demokratischer Strukturen im Islam sind kein Gegensatz, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille. Gegen Islamisten greifen wir mit aller Härte durch und lassen und gleichzeitig von Hass und Terror, wie wir ihn zuletzt etwa in Mannheim und Solingen sehen mussten, nicht spalten. Islamismus ist radikal und extremistisch. Islamismus verachtet die Werte, für die unser Land steht, er bekämpft diese Werte. Gleichzeitig gilt: Nur wenn Menschen, die auf dem Weg sind, sich zu radikalisieren, durch demokratische Angebote abgeholt werden können, können wir Radikalisierungen effektiv unterbinden.

3.5 Schutz kommunaler Mandatsträgerinnen und Mandatsträger

Die SPD-Landtagsfraktion steht dafür:

  • für eine gesellschaftliche Stimmung zu arbeiten, in der Verächtlichmachung von und Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker keinen Platz hat.

Mit Blick auf Angriffe auf Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sowie ehrenamtlich politisch engagierte Menschen unterstützen wir das Angebot, Aktionen vorab an Polizeibehörden zu melden, sodass diese Streifenfahrten an diesen ausrichten können. Dies zeigt eindrücklich, dass die Polizeibehörden in Baden-Württemberg bereitstehen und wir uns auf sie verlassen können. Ein polizeilicher Schutz sämtlicher politischer (Wahlkampf-)Veranstaltungen ist aber weder umsetzbar noch wünschenswert. Unser Ziel muss daher eine Änderung der gesellschaftlichen Stimmung sein, die solche Gewalt möglich macht und befeuert. Verächtlichmachung von Politikerinnen und Politikern, dem Staat als solchem und demokratischen Prozessen sowie eine Verrohung der Debatten insbesondere im Internet müssen wir daher entschieden entgegentreten.

Ansprechpartner

Marius Marquardt
Berater für Innenpolitik und Migration