In Berlin gehen die Verhandlungen über die nächste Bundesregierung auf die Zielgerade, und nach einer Änderung des Grundgesetzes ist klar: Für die massiven Herausforderungen unserer Zeit sind nun auch Antworten in der nötigen Größenordnung möglich. Im Bund, aber auch in den Ländern.

Um noch einmal den geschäftsführenden Bundeskanzler zu zitieren: Auch beim Verständnis, dass das nötig ist, haben wir eine Zeitenwende erlebt. Zum Glück. Zur Wahrheit gehört auch: In der Landesregierung von Baden-Württemberg und in den Reihen ihrer Koalitionspartner war diese Erkenntnis nur für einige neu.

Ja, da hörte man Glaubensbekenntnisse und es gab eine „Ewigkeitsgarantie“ und das schiefe Bild von der schwäbischen Hausfrau. Aber schon vor vielen Jahren und noch im Bundestag hatte Finanzminister Bayaz eine Reform der Schuldenbremse angeregt, um mehr investive Ausgaben zu ermöglichen. Und heute beruft sich der Finanzminister oft auf das Papier von Mario Draghi – in dem es heißt, dass auch die staatlichen Investitionen massiv steigen müssen.

Auch Ministerpräsident Kretschmann hat schon 2023 über eine Reform der Schuldenbremse gesprochen – für mehr Wettbewerbsfähigkeit und für Infrastrukturprojekte. Die Erkenntnis war also mindestens teilweise da in der Regierung. Nur wurde nicht nach dieser Erkenntnis regiert. Wenn wir mehr Investitionen forderten, hat man uns erklärt, es sei doch alles prima im Land.

Das hat sich geändert, und heute spricht der Ministerpräsident ganz klar von einem „massiven Investitionsstau“ in unserem Land, den man „nur mit massiven Krediten gestemmt bekommt“. Herr Ministerpräsident, da sind wir uns vollkommen einig. Ich möchte nur anfügen: „Man“ ist nicht nur der Bund, und „stemmen“ muss auch das Land.

Und, Herr Ministerpräsident, Ihre Regierung MUSS nicht nur handeln, weil die Entscheidungen im Bund Auswirkungen auf die Länder haben – Sie WOLLTEN doch auch handeln. Sie wollten mehr Geld für die Länder, mehr Möglichkeiten. Jetzt gibt es mehr. Viel mehr Geld vom Bund, aber auch viel mehr Möglichkeiten, künftig selbst mehr Geld in die Hand zu nehmen

Herr Ministerpräsident, Sie haben kürzlich erklärt, es gehe nicht darum, jetzt einfach Schulden zu machen. Es gehe um Möglichkeiten, dringend nötige Investitionen zu finanzieren. Da sind wir uns schon wieder einig. Und genau deswegen rege ich an, dass wir uns in Ruhe, aber eben zügig darüber unterhalten, welche Investitionen grundsätzlich am Wichtigsten sind. Wo wir anfangen und wie.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Mehrheit, die Änderung des Grundgesetzes trug, war größer als die Mehrheit der vergangenen und größer als die Mehrheit der künftigen Bundesregierung. Nicht nur, um das Grundgesetz ändern zu können, sondern auch, weil Schritte dieser Weite einen breiten Konsens brauchen. Und es verdient höchsten Respekt, wie die Grünen weit über die Tagespolitik und weit über die kommenden Legislaturperioden hinaus Verantwortung übernommen haben.

Die Grünen und auch die Bundesländer haben viele vernünftige Punkte zu dem Finanzpaket eingebracht, die berücksichtigt wurden. Auch das sorgt für Haltbarkeit. Um nichts anderes geht es auch in Baden-Württemberg. Nicht nur, weil wir womöglich unsere Verfassung anpassen wollen, die Landeshaushaltsordnung. Sondern weil wir über große Schritte reden, die ein breiter Konsens tragen muss, über die üblichen Mehrheiten hinaus.

Deswegen wollen wir darüber reden, was unser Land braucht, wo wir die neuen Möglichkeiten zuerst nützen können oder nützen müssen. Wir wollen einen gemeinsamen Anstoß für Programme, die über mehrere Wahlperioden hinausreichen. Planen und Bauen braucht Zeit und Verlässlichkeit, egal ob es um Schulbau, Brückensanierung oder neue Wohnungen geht. Wir wollen, dass unsere Schulen in einem Top-Zustand sind. Wir wollen, dass landeseigene Brücken befahrbar sind und bleiben.

Wir wollen die Transformation unserer Wirtschaft vorantreiben. Die Vorschläge hierzu liegen auf dem Tisch. Wir haben uns schon Gedanken gemacht. Wir haben über eine Transformationsmilliarde nachgedacht und eine Bildungsmilliarde, wir denken über eine Kommunalmilliarde nach. Aber lassen Sie uns doch mal zusammen denken!

Und diese Gespräche können gar nicht „zu früh“ beginnen. In der Krise, die wir gerade erleben, ist Perspektive unglaublich wichtig, Planungssicherheit. Und eine Bestandsaufnahme: Dass im Land zum Beispiel 60.000 Kita-Plätze fehlen ist kein Slogan der SPD, fragen Sie mal unsere Kommunen!

Die Zeit drängt – auch bei der Wirtschaft. Donald Trump interessiert sich nicht dafür, wann Landtagswahlen in Baden-Württemberg sind. In den kommenden zwölf Monaten haben unsere Hersteller womöglich mehr Hilfe nötig als seit Menschengedenken. Das können wir nicht auf Ende 2026 vertagen! Und schließlich brauchen Sie Planbarkeit ja auch selbst:

Was immer Bund und Land an Sofortmaßnahmen starten, muss doch auch umgesetzt werden – auch von der Wirtschaft, auch in den Kommunen. Ein auch nur grundsätzlicher Konsens über die ersten Prioritäten – das ist keine Kür, das ist Pflicht, wenn wir das auch auf die Straße bringen wollen!

Unser Vorschlag ist es, diesen Konsens zu suchen. Mit der Regierung, mit den demokratischen Fraktionen. Immer mit den Kommunen. Immer mit Rücksicht auf die besondere Lage unseres Landes.

Denn unsere Lage IST besonders: Denken wir an die Energieversorgung, an Wasserstoffnetze, denken wir an die Transformation gerade unserer Automobilwirtschaft, an die Ganztagesversorgung, an die Energiewende, die Wärmeplanung in den Kommunen.

Ja, Bund selbst hat seinen Fahrplan auch noch nicht fertig. Aber wir wissen doch schon, dass da etwas ins Rollen kommt. Wollen wir nicht endlich mal wieder ein Land sein, das seine Hausaufgaben schon gemacht hat, wenn es losgeht? Das vorne dabei ist, an der Spitze? Das brauchen unser Land und unsere Wirtschaft. Und das erwarten die Leute von der Politik: Zeigen, das Probleme lösbar sind.

Ich will heute nicht breittreten, dass wir über lange Jahre schon viel wertvolle Zeit verloren haben. „Es ist jetzt nicht die Zeit, übereinander Noten zu verteilen, sondern Lösungen zu finden“ – und schon wieder habe ich den Ministerpräsidenten zitiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Ich freue mich, dass sich auf meinen Brief hin alle demokratischen Fraktionen offene für solche Gespräche gezeigt haben. Das steht für ein Verständnis dieser Lage, der Dimensionen, der Herausforderungen. Natürlich sind wir im Moment in der Opposition, natürlich sind Sie an der Regierung, das ist doch völlig klar.

Aber es geht um Dimensionen, die weit in die übernächste Legislatur reichen. Bis mindestens ins Jahr 2038, mit wer weiß welchen Konstellationen und Koalitionen. Es geht hier um viel mehr als die Rollenspiele der Tagespolitik.

Es geht um unser Land und seine Zukunft.

Gehen wir in die Offensive. Und gehen wir zusammen.

Danke

Ansprechpartner

Max Yilmazel
Berater für Finanzpolitik, Europa und Internationales