Wolfgang Drexler: „Wir geben den Kommunen die gesetzliche Handhabe, das Kopftuch im Kindergarten zu verbieten, wenn sie es wollen“

Frieder Birzele: „Die Kommunen stellen die Erzieherinnen und Erzieher ein und bezahlen sie auch. Wir wollen ihre verfassungsrechtlich gebotene Entscheidungsfreiheit in Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung nicht beschneiden“

In der Auseinandersetzung um Kopftücher in kommunalen Kindergärten hat die SPD-Landtagsfraktion als erste Fraktion einen Gesetzentwurf vorgelegt. Den Kommunen soll damit die gesetzliche Handhabe gegeben werden, Erzieherinnen das Tragen von Kopftüchern zu verbieten, wenn die Träger der Kindergärten dies wollen. Aus Respekt vor der verfassungsrechtlich verbrieften kommunalen Selbstverwaltung sollen die Kommunen aber nicht zu einem generellen Verbot gezwungen werden, so SPD-Fraktionschef Wolfgang Drexler. Der Fraktionsvorsitzende wies ausdrücklich darauf hin, dass dieser Gesetzentwurf aus rechtlichen Gründen Regelungen nur für öffentliche Kindergärten vorsieht, nicht aber für kirchliche Kindergärten oder solche freier Träger.

Die SPD wird ihren Gesetzentwurf als Gesprächsgrundlage nun den anderen Fraktionen im Landtag zuleiten und die Details zudem in einer Anhörung u.a. mit den kommunalen Landesverbänden, Kommunen, den Kirchen und mit Erzieherinnen und Erziehern besprechen.

Wolfgang Drexler: „Wie schon beim Schulgesetz sind wir daran interessiert, auch bei den öffentlichen Kindergärten eine gesetzliche Regelung in einem breiten Konsens im Landtag zu erreichen.“

Zur Begründung für den Vorstoß der SPD wies SPD-Fraktionschef Drexler darauf hin, dass Kopftuch tragende Erzieherinnen auf muslimische Mädchen in Kindergärten ebenso einen negativen Einfluss ausüben können, wie Lehrerinnen mit Kopftuch auf muslimische Schülerinnen. „Unser oberstes Anliegen ist es, dass auch muslimische Mädchen nach dem Menschenbild unserer Verfassung erzogen werden. Dazu gehört insbesondere die Achtung der Menschenwürde und die Gleichheit von Mann und Frau. Dieses Menschenbild darf nicht in Frage gestellt werden, weder in der Schule, noch im Kindergarten.“

Der SPD-Fraktionschef verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen der türkischstämmigen Frauenrechtlerin und Anwältin Seyran Ates zum Kopftuchverbot an Schulen bei der Anhörung des Landtages im März 2004. Frau Ates hatte seinerzeit unterstrichen, das Kopftuch diene „der Unterordnung der Frau unter die Männer und nicht als Unterordnung unter Gott“.

Zudem könne sich eine muslimische Erzieherin gerade nicht auf den Koran berufen, wenn sie im Kindergarten ein Kopftuch tragen wolle. Nach dem Koran müsse eine Muslima das Kopftuch nicht vor Kindern tragen, auch unter Frauen nicht und auch nicht unter Jungen, soweit sie noch nicht geschlechtsreif sind. Gerade im Kindergarten sei deshalb das Kopftuch kein religiöses, sondern ein politisches Symbol.

SPD-Fraktionschef Drexler machte auch deutlich, dass ein Kopftuchverbot allein die Probleme mangelnder Integration der Muslime nicht löst. Der Grundsatz „fördern und fordern“ müsse auch für das Zusammenleben von Deutschen und Türken, von Christen und Muslimen gelten. Beide Seiten seien aufgerufen, alle nur denkbaren Schritte zu unternehmen, um das Entstehen und Ausbreiten von Parallelgesellschaften zu verhindern.

Birzele: Kindergartengesetz in enger Anlehnung an das Schulgesetz ändern
Der Landtagsvizepräsident und Verfassungsexperte der SPD-Fraktion, Frieder Birzele, hat den von ihm ausgearbeiteten Gesetzentwurf zur Änderung des Kindergartengesetzes vor der Landespresse im Einzelnen erläutert. Nach seinen Worten ist dieser Entwurf in enger Anlehnung an die Formulierungen zum Kopftuchverbot in Schulen im Schulgesetz ausgearbeitet worden. Im Vorschlag der SPD-Fraktion zur Änderung des Kindergartengesetzes heißt es in einem neuen Paragraphen 7a):

Absatz (1): Fachkräfte an öffentlichen Einrichtungen nach § 1 dürfen in der Einrichtung keine politischen, religiösen, weltanschaulichen oder ähnliche äußeren Bekundungen abgeben, die geeignet sind, die Neutralität des öffentlichen Trägers gegenüber Kindern und Eltern oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden in der Einrichtung zu gefährden oder zu stören. Insbesondere ist ein äußeres Verhalten unzulässig, welches bei Kindern oder Eltern den Eindruck hervorrufen kann, dass eine Fachkraft gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung der Menschen nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt.
Die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach der Landesverfassung und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen widerspricht nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1.“

Die Kommunen sind Träger der kommunalen Kindergärten, sie stellen die Erzieherinnen und Erzieher ein und bezahlen sie auch. Die SPD will deshalb den Kommunen und ihren Gemeinderäten die verfassungsrechtlich gebotene Entscheidungsfreiheit in Angelegenheiten der kommunalen Selbstverwaltung nicht beschneiden. Das grundsätzliche Verbot des Kopftuches im kommunalen Kindergarten wurde deshalb nach den Worten von Frieder Birzele um einen Erlaubnisvorbehalt ergänzt. Danach können die öffentlichen Träger im Einzelfall eine andere Entscheidung treffen, solange das Verhalten der Fachkraft eine die Neutralität und den Frieden im Kindergarten wahrende Einstellung erkennen lässt und der Frieden in der Einrichtung nicht gefährdet oder gestört wird.

Satz 4 des neuen § 7a) im Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Kindergartengesetzes lautet daher:

„Abweichend von Satz 1 kann der Träger eine Bekundung auf Antrag zulassen, wenn und solange das Verhalten der Fachkraft im Einzelfall eine die Neutralität und den Frieden in der Einrichtung wahrende Einstellung erkennen lässt und der Frieden in der Einrichtung nicht gefährdet oder gestört wird.“

In Absatz 2 des neuen § 7 a) im SPD-Gesetzentwurf wird darauf abgehoben, dass die Einstellung einer Fachkraft im öffentlichen Kindergarten voraussetzt, dass sie während der gesamten voraussichtlichen Dienstzeit die Gewähr bietet, dass die zuvor in Absatz 1 festgelegten Grundsätze eingehalten werden:

(2) Die Einstellung einer Bewerberin/eines Bewerbers für eine Tätigkeit an öffentlichen Einrichtungen nach § 1 setzt als persönliches Eignungsmerkmal voraus, dass sie/er die Gewähr für die Einhaltung des Absatzes 1 Satz 1 bis 3 in seiner gesamten voraussichtlichen Dienstzeit bietet.“

Birzele: „Mit diesem Gesetzentwurf bieten wir den kommunalen Kindergartenträgern Rechtssicherheit, wenn sie das Kopftuch im Kindergarten verbieten wollen. Wir nehmen sie zugleich aber auch in die Pflicht, darüber zu entscheiden, welchen Weg sie im Umgang mit Kopftuch tragenden Erzieherinnen beschreiten wollen.“

Helmut Zorell
Pressesprecher