MdL Hans-Martin Haller: „Unser Radnetz ist lückenhaft, oft entlang belasteter Bundes- und Landesstraßen und mit chaotischen Beschilderungen – keine gute Visitenkarte“
Zehn-Punkte-Katalog für ein flächendeckendes, sicheres Radwegenetz
Die SPD-Landtagsfraktion ergreift die Initiative für ein besseres Radwegenetz in Baden-Württemberg. Wegen der Versäumnisse der Landesregierung sei Radfahren im Land im günstigsten Fall unattraktiv, im schlimmsten Fall gefährlich, stellt der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Hans-Martin Haller, fest. Das ohnehin unübersichtliche Radwegenetz sei lückenhaft, mute den Radlern und Radlerinnen oft ungepflegte Trassen entlang verpesteter Bundes- und Landesstraßen zu und irritiere zudem mit teilweise chaotischen Beschilderungen.
Haller ist selbst ambitionierter Radfahrer, der häufiger von Albstadt nach Stuttgart in den Landtag radelt und demnächst auch wieder zur Klausurtagung seiner Fraktion nach Berlin.
In einem 10-Punkte-Katalog hat der SPD-Verkehrsexperte nun konkrete Vorschläge unterbreitet, wie Radfahren auch in Baden-Württemberg attraktiv und sicher gemacht werden kann. Haller fordert u.a. ein flächendeckendes autonomes Radwegenetz abseits von großen Straßen, eine einheitliche und durchgängige Beschilderung, eine bessere Verknüpfung von Rad und ÖPNV, sinnvolle Mindeststandards für sichere Radwege und mehr Servicequalität entlang des touristischen Radwegenetzes.
Haller: „Ein gut ausgebautes, zusammenhängendes Radwegenetz schont die Umwelt, weil mehr Menschen mit dem Fahrrad pendeln, und bringt wegen seiner touristischen Bedeutung auch Wirtschaftskraft in die Regionen. Die Landesregierung muss hier endlich in die Gänge kommen.“
Nach den Angaben von Hans-Martin Haller steigen immer mehr Bürger wieder aufs Rad, im Alltag und im Urlaub. In den vergangenen drei Jahren hätten 2,6 Millionen Deutsche Urlaub auf dem Fahrrad gemacht, für zwei Drittel von ihnen sei die Radtour sogar die Haupturlaubreise gewesen. Nach Angaben des Fahrradclubs ADFC werden in Deutschland allein durch den Fahrradtourismus jährlich fünf Mrd. Euro umgesetzt. Zur Steigerung der touristischen Attraktivität werde es für einzelne Regionen deshalb immer wichtiger, ein umfassendes Radwegenetz anzubieten, so Haller.
Zudem sei der Radsport für die mittelständischen Rad- und Sportfachgeschäfte ein bedeutender Umsatzträger.
Große Lücken im Wegenetz, verwirrende Beschilderung, zunehmender Zerfall
Das Radewegenetz in Baden-Württemberg umfasst Landesradfernwege, regionale und lokale Radwege und Cross-Road Strecken, die vor allem für Mountainbiker gedacht sind. Ingesamt verfügt Baden-Württemberg über ein Radwegenetz von 35.751 Kilometern, davon 4.245 Kilometer für die 17 Landesradfernwege (Anlage 1). Neben den vornehmlich touristisch genutzten überregionalen Landesradfernwegen spielt der Radverkehr in Städten und Regionen eine große Rolle für Pendler. Auch hier gewinnt das Rad als klimafreundliches und gesundes Fortbewegungsmittel zunehmend an Bedeutung.
Von einem zusammenhängenden Radwegenetz kann allerdings nach den eigenen Erfahrungen Hallers keine Rede sein. Unterbrechungen oder auch größere Lücken zwischen Radwegen seien eher die Regel als die Ausnahme.
Als irritierend und von einer chaotischen Vielfalt geprägt kritisiert Haller die Beschilderung der Radwege. Zwar gebe es für Radwege entlang von Bundes- und Landesstraßen eine einheitliche Beschilderung. Für die Radwege in der Zuständigkeit der Gebietskörperschaften aber habe das Land lediglich unverbindliche Empfehlung herausgegeben. Schilderwechsel an Kreis- und Gemeindegrenzen, falls es denn überhaupt eine Beschilderung gebe, seien deshalb an der Tagesordnung.
Viele Fahrradrouten unterliegen nach den Worten von Hans-Martin Haller zusehends einem Zerfallsprozess, weil sie nicht ausreichend gepflegt werden. Bei der Erneuerung des Rems-Murr-Radweges etwa hätten rund 90 Prozent der Schilder auf der 140 Km langen Strecke ausgetauscht werden müssen, weil sie veraltet waren.
Der 10-Punkte-Katalog der SPD:
Für attraktive und sichere Radwege und ein flächendeckendes Radwegegrundnetz abseits der großen Straßen
Bei der Qualität und bei der Länge seines Radwegenetzes liegt Baden-Württemberg im Bundesländervergleich allenfalls im Mittelfeld (Anlage 2). Nach wie vor fehlt ein einheitliches Radwegegrundnetz, obwohl es – zumindest auf dem Papier – seit über zehn Jahren ein gemeinsam mit Städten und Gemeinden entwickeltes Konzept dafür gibt.
Die Landesregierung plane, baue und finanziere Radwege nach wie vor, wenn über-haupt, an Bundes- und Landesstraßen, statt ein autonomes Radwegenetz auf den Weg zu bringen, so Haller.
Vor diesem Hintergrund hat der SPD-Verkehrsexperte einen Zehn-Punkte-Katalog für attraktives und sicheres Rad fahren in Baden-Württemberg vorgelegt.
1. Flächendeckendes Radwegenetz abseits von Bundes- und Landesstraßen
Zu häufig verlaufen Radwege entlang von Bundes- und Landesstraßen. Hier muss das Land aktiv werden und das Geld statt in straßenparallele Radwege gemeinsam mit den Städten und Gemeinden in unabhängige Radwege investieren. Besser macht es schon jetzt die Schweiz. Die Radtourenwege sind dort oft abseits der Straßen errichtet worden.
2. Lücken im Netz schließen
Nur ein lückenloses Radwegenetz garantiert ein Mehr an Radpendlern und Fahrradtouristen. Allerdings sieht sich die Landesregierung nur entlang der Bundes- und Landesstraßen in der Pflicht. Sinnvoll ausgebaute Radwegnetze dürfen aber nicht an Zuständigkeitsfragen scheitern.
3. Einheitliche und durchgängige Beschilderung
Statt verwirrender Vielfalt ist analog zur Straßenbeschilderung eine einheitliche und eindeutige Beschilderung im ganzen Land erforderlich. Wie das geht, hat uns die Schweiz vorgemacht: Einheitliche Hinweisschilder bezüglich der Fahrtziele und streckenbezogene Warnschilder! Strecken und ihre einzelnen Abschnitte werden in Schwierigkeitsgrade unterteilt, sodass sich der Geübte auch ein schwereres Stück zumuten kann und der untrainierte Fahrer rechtzeitig gewarnt wird.
4. Bessere Anbindung des Radverkehrs an den ÖPNV
Viele Radfahrer sind auf eine gute Verknüpfung mit dem ÖPNV angewiesen. Die Landesregierung könnte wie in NRW gemeinsam mit der Bahn eine Aktion Rad & Rail ins Leben rufen, um bessere Anbindungen für An- und Abreise und die Überbrückung von Zwischenetappen zu schaffen. Die Schweizer Fahrradverbände haben in Zusammenarbeit mit der SBB ein flächendeckendes Netz erstellt, damit Radfahrer problemlos auf den ÖPNV umsteigen können.
5. Verminderung von Gefahrensituationen
Fahrradfahrer sind insbesondere an Kreuzungen, Kreisverkehren, Einmündungen und Ampelanlagen gefährdet. Hier kann durch farbliche Hervorhebung oder gesonderte Fahrspuren viel für die Sicherheit der Radfahrer getan werden. Ein weiterer Gefahrenherd für Radfahrer sind Straßenquerungen, die sehr unfallträchtig sind.
6. Sinnvolle Mindeststandards für Radwege
Radwege sollten in der Breite (Einrichtungsverkehr 1,50 m, Zweirichtungsverkehr mind. 2,50 m) und beim Belag (möglichst Asphalt) so beschaffen sein, dass ein gefahrloses Befahren möglich ist. Dazu zählen auch abgesenkte Wegkanten mit einer Höhe von max. 1-2 cm.
7. Abbau sinnloser Normierungen
Bestes Beispiel für eine überflüssige bürokratische Vorschrift: Rennräder dürfen nach § 67 StVZO nur dann mit batteriebetriebener Beleuchtung fahren, wenn sie weniger als elf Kilo wiegen.
8. Konsequente Sanktionierung von Behinderungen
Autos haben auf Radwegen nichts zu suchen, auch nicht geparkte Pkw. Hier müssen die Behörden konsequent einschreiten.
9. Aufhebung der Radwegenutzungspflicht
Insbesondere in den Städten muss es dem Radfahrer auch erlaubt sein, sich in den langsamen Stadtverkehr (z.B. in Tempo-30-Zonen) zu integrieren.
10. Mehr Service entlang touristischer Radwegenetze
Fahrradfahrer wollen nicht nur Rad fahren, sondern auch die Natur, die Kultur und die regionale Küche genießen. Anders als etwa in NRW finden Radler in Baden-Württemberg online viel zu wenig Informationen über solche Angebote entlang der einzelnen Routen. Es fehlen auf den touristisch ausgerichteten Radrouten bei uns zudem Serviceangebote, also etwa Werkstätten zur Pannenhilfe und Fahrradverleihe in ausreichender Zahl.
Mit seinem Zehn-Punkte-Katalog will der SPD-Verkehrsexperte eine öffentliche Diskussionsoffensive starten und die Interessenverbände in diesen Dialog ausdrücklich miteinbeziehen.
Haller unterstrich, dass er auf Anregungen, Kritik und Vorschläge aus der Bevölkerung gespannt sei und forderte die Bürgerinnen und Bürger auf, ihn per Mail, Fax oder Brief über ihre Erfahrungen und Wünsche zu informieren. Die Daten könnten über seine Homepage abgerufen werden.
Homepage: https://www.hansmartin-haller.de/
Mailadresse: hans-martin.haller@spd.landtag-bw.de
Hans-Martin Haller: „Unsere Zielvorgabe ist Radfahren unter guten Verkehrsbedingungen auf einem sicheren, attraktiven Radwegenetz in ganz Baden-Württemberg. Wir wollen Touristen und Urlauber anlocken, wir wollen aber auch, dass Tagespendler sicher und schnell zur Arbeit kommen und Hobbyradler Spaß haben, wenn sie über die wunderschönen Landschaften unserer Regionen strampeln.“