MdL Claus Schmiedel: „Mit unserem Aktionsplan garantieren wir allen jungen Menschen, Alt- und Neubewerbern, einen Ausbildungsplatz in Baden-Württemberg“

MdL Gunter Kaufmann: „Jeder zweite Bewerber tritt bei der Ausbildungsplatzsuche auf der Stelle – die Landesregierung kümmert sich viel zu wenig darum“

Mit einem Aktionsplan will die SPD im Landtag die Lehrstellenmisere im Land bekämpfen. Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs sei die Situation auf dem Ausbildungsmarkt ernüchternd, Tausende von jungen Menschen suchten noch immer vergeblich eine Lehrstelle und die steigende Zahl der Altbewerber sei geradezu dramatisch, begründen die SPD-Abgeordneten Gunter Kaufmann, Sprecher für berufliche Bildung, und Claus Schmiedel, wirtschaftspolitischer Sprecher, ihren Vorstoß. Sie legten einen 6-Punkte-Aktionsplan vor, der allen Schulabgängerinnen und Schulabgängern einen Ausbildungsplatz garantiert.

Um den Altbewerberberg abzubauen und jedem Schulabgänger einen Ausbildungsplatz zu garantieren, sind nach Berechnungen der SPD in den nächsten zwei Jahren jeweils 16.000 zusätzliche Ausbildungsplätze notwendig. 6.000 Plätze sollen durch das verstärkte Engagement der Wirtschaft erbracht werden, jeweils 10.000 zusätzlich pro Jahr über politische Maßnahmen, die im Aktionsplan der SPD dargestellt werden. Dazu gehören neue Fördermöglichkeiten der Bundesagentur für Arbeit (BA), Pilotprogramme zur Koordinierung von Ausbildungsbausteinen verschiedener Berufsbildungsträger, der Aufbau eines effektiven Ausbildungsmanagements für Verbundausbildungsplätze, sozialpädagogische Begleitung von Schulabgängern mit mangelnder sozialer Reife und die Verdopplung der Landesmittel für Altbewerber bei den ESF-Geldern (Europäischer Sozialfonds).

Nach Ansicht der SPD-Abgeordneten ist nicht erkennbar, dass die bevorstehende Neuauflage des Bündnisses für Ausbildung eine nachhaltige Verbesserung der Ausbildungschancen junger Menschen in Baden-Württemberg bringt. Das geplante Bündnis für Ausbildung müsse erst noch unter Beweis stellen, dass die Dimension der Probleme auf dem Ausbildungsmarkt wirklich erkannt und entsprechend gehandelt wird, so Kaufmann und Schmiedel. Sie fordern von der Wirtschaft und der Landesregierung gerade in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs mehr Engagement für zusätzliche Ausbildungsplätze.

Gunter Kaufmann: Entwicklung bei Altbewerbern dramatisch – steigender Bedarf an Ausbildungsplätzen
Als größtes Problem auf dem Lehrstellenmarkt bezeichnete Gunter Kaufmann die Entwicklung der Zahl der Altbewerber. Ihr Anteil an den Ausbildungsplatzbewerbern habe sich mittlerweile auf 46 Prozent (absolut: 40.924) erhöht gegenüber 36,3 Prozent (absolut: 29.963) im Jahr 2001. „Die Zahl der Altbewerber wird von Jahr zu Jahr immer größer. Dadurch verschärft sich die Situation auf dem Ausbildungsmarkt zusehends“, so Kaufmann. Neue Schulabgänger träfen jedes Jahr auf immer mehr Altbewerber, die sich in sogenannten Warteschleifen eines Übergangssystems befänden (Praktika, berufsvorbereitende Maßnahmen, Arbeitstätigkeiten). Die Teilnehmer der Warteschleifen verschwänden als „versorgt“ zwar aus der amtlichen Statistik, tatsächlich aber bemühten sich die meisten dieser Jungendlichen ein Jahr später erneut um eine Lehrstelle.

„Die Warteschleifen werden zum gängigen Schicksal. Sie verhelfen lediglich zu schönen statistischen Ergebnissen über den Versorgungsgrad, verschärfen ansonsten aber das Problem, denn von Jahr zu Jahr wird der Konkurrenzkampf um die vorhandenen Ausbildungsplätze härter“, kritisierte Kaufmann.

Es sei ein „Trugschluss“, zu glauben, dass es sich bei den Altbewerbern vornehmlich um schwächere Schulabgängerinnen und – abgänger handle. Über 45 Prozent, also fast die Hälfte, habe einen Realschulabschluss, die Fachhochschulreife oder gar das Abitur. Die hohe Zahl an Altbewerbern lasse sich deshalb nicht auf die mangelnde Ausbildungsreife der jungen Menschen zurückführen, es fehlten schlicht Ausbildungsplätze, so Kaufmann.

In den Jahren ab 2012 sei durch den doppelten Abitursjahrgang für Jugendliche mit Real- und Hauptschulabschluss zudem ein verstärkter Verdrängungswettbewerb auf dem Lehrstellenmarkt mit negativen Auswirkungen zu erwarten.

Kaufmann: „Auf dem Lehrstellenmarkt tickt eine Zeitbombe. Staat und Wirtschaft stehen gemeinsam in der Verantwortung, diese rasch zu entschärfen, damit sich für alle Jugendlichen eine berufliche Perspektive eröffnet.“

Der SPD-Aktionsplan zur Ausbildungsplatzgarantie im Einzelnen
Claus Schmiedel: Landesregierung muss neue Handlungsmöglichkeiten für zusätzliche Ausbildungsplätze offensiv nutzen

Mit ihrem Aktionsplan „Garantierter Ausbildungsplatz für alle jungen Menschen in Baden-Württemberg“ will die SPD nach den Worten ihres Wirtschaftsexperten Claus Schmiedel erreichen, dass der Berg an Altbewerbern in Baden-Württemberg innerhalb von zwei Jahren vollständig abgebaut wird und jeder Schulabgänger einen Ausbildungsplatz bekommt.

Der Aktionsplan der SPD richtet sich jedoch nicht nur an die Wirtschaft. Das Ziel „Ausbildungsplatzgarantie“ erfordere auch einen starken Eigenbeitrag der Politik. Die schlimme Lage auf dem Ausbildungsmarkt verlange auch neue Instrumente, um jungen Menschen zu einer beruflichen Ausbildung und zu einem erfolgreichen Abschluss bei der Kammerprüfung zu verhelfen.

Der Aktionsplan:
1. Verstärktes Engagement der Wirtschaft für zusätzliche Ausbildungsplätze
2. Nutzung der neuen Fördermöglichkeiten der BA für benachteiligte Altbewerber
3. Teilnahme am Pilotprogramm zum koordinierten Einsatz von Ausbildungsbausteinen zwischen verschiedenen Berufsbildungsträgern
4. Aufbau eines effektiven Ausbildungsmanagements für Verbundausbildungsplätze
5. Individuelle sozialpädagogische Begleitung der Schulabgänger und ggf. der Auszubildenden
6. Verdoppelung der ESF-Gelder für das „Sonderprogramm Altbewerber“

1. Verstärktes Engagement der Wirtschaft für zusätzliche Ausbildungsplätze
Von der Wirtschaft fordern die SPD-Abgeordneten, deutlich mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen als bisher. Bei einem neuen Ausbildungspakt der Landesregierung müsse die Wirtschaft mindestens zehn Prozent zusätzliche Ausbildungsplätze für die jungen Menschen im Land klar und verbindlich zusagen. „6000 zusätzliche Plätze sind für die Wirtschaft in der derzeitigen konjunkturellen Lage kein Hexenwerk, sondern eine maßvolle Forderung“, machte Schmiedel deutlich. Dabei betonte er, dass man zusätzliche Plätze verlange, dass die Wirtschaft also nicht nur neue Ausbildungsplätze akquirieren, sondern darüber hinaus auch den Wegfall von bisher existierenden Plätzen ausgleichen müsse.

2. Nutzung der neuen Fördermöglichkeiten der BA für benachteiligte Altbewerber
Nach Ansicht der SPD muss die Landesregierung die auf Bundesebene vorgesehene Fördermöglichkeit der BA für benachteiligte Altbewerber im Land umsetzen, um möglichst viele zusätzliche Ausbildungsplätze zu gewinnen. Mit dem Beschluss der beiden Koalitionsfraktionen SPD und CDU in Berlin, künftig auch mithilfe von Geldern der Bundesagentur für Arbeit zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für benachteiligte Jugendliche zu unterstützen, sei eine zentrale Forderung der Landes-SPD erfüllt worden. Schmiedel begrüßt es ausdrücklich, dass die Bundesregierung den Abbau des Altbewerberberges als zentrale Aufgabe aktiv angeht.

3. Teilnahme am Pilotprogramm zum koordinierten Einsatz von Ausbildungsbausteinen zwischen verschiedenen Berufsbildungsträgern
Ein weiteres Instrument für die Ausbildungsplatzgarantie sieht die SPD in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angestoßenen Pilotprogramm zum koordinierten Einsatz von Ausbildungsbausteinen zwischen verschiedenen Berufsbildungsträgern. Nach Informationen der SPD-Landtagsfraktion wird das Programm in einzelnen Pilotregionen schon in diesem Jahr starten. Mit diesen Pilotprogrammen können Altbewerber Ausbildungsteile bei verschiedenen Trägern absolvieren und mit einer Kammerprüfung beenden. Schmiedel fordert deshalb die Landesregierung auf, bei allen Beteiligten dafür zu sorgen, dass in jedem Regierungsbezirk ein Pilotprojekt durchgeführt werde. Dann könnten weitere 2000 junge Menschen in Baden-Württemberg noch in diesem Jahr ihre Ausbildung beginnen.

4. Effektives Ausbildungsmanagement für Verbundausbildungsplätze
Als ein vielversprechendes Instrument zur Gewinnung neuer Ausbildungsplätze sieht die SPD den Aufbau eines effektiven Ausbildungsmanagements für Verbundausbildungsplätze. Viele Betriebe seien spezialisiert und könnten nicht alle Inhalte eines Lehrberufs anbieten. Ein Zusammenschluss verschiedener Betriebe, wobei gemeinsam ein Ausbildungsplatz angeboten und die Lehre organisiert werde, sei deshalb eine richtige Antwort. Die Betriebe scheuten aber häufig davor zurück, das Management dieses Verbundes zu übernehmen.

Es sei deshalb sinnvoll, dass das Land ein externes Verbundausbildungsmanagement aufbaut und auch finanziell fördert, so Schmiedel: „In anderen Bundesländern hat sich gezeigt, dass so zusätzliche Ausbildungsplätze entstehen, weil punktgenau dort geholfen wird, wo Unterstützung nötig ist.“

5. Sozialpädagogische Begleitung der Schulabgänger und Auszubildenden
Die SPD fordert von der Landesregierung eine intensive individuelle Begleitung, insbesondere der Hauptschüler, auch in der Phase zwischen Schulabgang und Ausbildungsbeginn – und wo nötig auch darüber hinaus. Viele Unternehmen scheuten sich, Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anzubieten, wenn es diesen an sozialer Reife fehle. Einzelne Projekte, auch in Baden-Württemberg, hätten aber gezeigt, dass es gelingt, auch solche Jugendlichen erfolgreich durch eine Ausbildung zu bringen, wenn eine sozialpädagogische Betreuung für die jungen Menschen sichergestellt wird.

6. Verdoppelung der ESF-Gelder für das „Sonderprogramm Altbewerber“
Kritik äußerte Schmiedel am zu geringen Einsatz von Geldern aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) in Baden-Württemberg im Rahmen des sogenannten Altbewerberprogramms der Landsregierung. Das SPD-Konzept sieht die Verdopplung dieser Mittel vor, um damit 2000 zusätzliche Ausbildungsplätze anstoßen zu können.

Helmut Zorell
Pressesprecher