Förmliches Verfahren gegen Verkehrsvertrag mit der Bahn
MdL Gunter Kaufmann: „Das Land hat sich von der Bahn über den Tisch ziehen lassen und einen fairen Wettbewerb verhindert“
Der im Juli 2003 zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Deutschen Bahn (DB) Regio AG geschlossene Verkehrsvertrag verstößt nach Ansicht der Europäischen Kommission gegen geltendes EU-Recht. Nach Ansicht der Europäischen Kommission hat die Landesregierung mit der Direktvergabe der Verkehrsleistungen an die DB Regio gegen die Regeln für einen fairen und unvoreingenommenen Wettbewerb verstoßen. Die EU hat deshalb nach Angaben des SPD-Verkehrsexperten Gunter Kaufmann ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Bereits Anfang des vergangenen Jahres habe die Europäische Kommission das Vergabeverfahren moniert, die Antwort der Landesregierung an die EU-Kommission habe die Kritik offenkundig aber nicht entkräften können.
Die Europäische Kommission beanstandet nach den Informationen Kaufmanns insbesondere die fehlende Transparenz in der Vorgehensweise der baden-württembergischen Landesregierung. So habe es beispielsweise keine direkte oder indirekte Aufforderung seitens des Landes zur Teilnahme an der Ausschreibung gegeben. Es sei damit nicht ausgeschlossen, so die EU-Kommission, dass potenzielle Bieter von der Ausschreibung der Zugleistungen nichts erfahren hätten und deshalb de facto vom Wettbewerb ausgeschlossen worden seien. Der Verkehrsvertrag des Landes verstoße damit gegen die einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrages, insbesondere das Diskriminierungsverbot, und sei somit rechtswidrig. Sollte der Europäische Gerichtshof letztinstanzlich der Europäischen Kommission Recht geben, könnten Regressforderungen in Millionenhöhe auf Baden-Württemberg zukommen, befürchtet Kaufmann.
Der Verkehrsvertrag des Landes mit der DB Regio regelt Umfang und Qualität der Leistungen im Schienenverkehr, wie das Fahrplanangebot, die Qualität der eingesetzten Fahrzeuge sowie die Pünktlichkeit der Züge. Baden-Württemberg zahlt der Bahn auf der Grundlage dieses Vertrages für die Bereitstellung von ca. 49 Millionen Zugkilometern bis zum Jahr 2016 jährlich rund 350 Millionen Euro, also insgesamt ca. 4,6 Milliarden Euro.
Die SPD-Landtagsfraktion habe schon bei Vertragsschluss den Verdacht geäußert, dass sich das Land bei dem Vertrag von der Bahn über den Tisch habe ziehen lassen, so Kaufmann. So habe sich das Land bis zum Jahr 2016 und damit unnötig lang an die Deutsche Bahn gebunden. Außerdem sei die Bahn in einer komfortablen Verhandlungsposition, da nahezu alle denkbaren quantitativen und qualitativen Änderungen des Vertrags Einvernehmen zwischen den beiden Vertragsparteien voraussetzten. Die Bahn könne sich so auf lange Sicht gegen alle im Interesse der Bahnkunden wünschenswerte Veränderungen sperren. Zudem setzte die im Vertragswerk vorgenommene Definition und Gewichtung von Pünktlichkeit und Anschlusssicherheit für die Bahn keinerlei Anreize für Verbesserungen.
Insgesamt führe der Vertrag dazu, dass in Baden-Württemberg in den nächsten zwölf Jahren vermutlich nur noch 15 % des Gesamtstreckennetzes ausgeschrieben werde. Und wo dann ausgeschrieben werde, wie im Fall der Schwarzwaldbahn von Karlsruhe nach Konstanz, könne die Bahn – mit dem finanziell attraktiven Verkehrsvertrag im Rücken – Konditionen anbieten, bei denen andere Wettbewerber nicht mehr mithalten könnten, so Kaufmann.