Wolfgang Drexler und Winfried Kretschmann:
Erhaltung der finanziellen Handlungsfähigkeit ist Voraussetzung für eine
nachhaltige staatliche Aufgabenerfüllung

Ziel der Föderalismuskommission II ist es, auf allen staatlichen Ebenen in Deutschland die finanzpolitische Handlungsfähigkeit zu verbessern und wieder ausgeglichene Haushalte zu erreichen. Die Staatsverschuldung muss abgebaut und die öffentlichen Haushalte nachhaltig konsolidiert werden. Außerdem müssen künftig auch die Länder Gestaltungsmöglichkeiten auf der Einnahmeseite durch Übertragung von Steuerkompetenzen erhalten. Es muss deshalb am Ende der Föderalismusreform II eine Paketlösung geben, die folgende drei Komponenten beinhaltet:
– Begrenzung der Neuverschuldung – Senkung der Schuldenstandsquote
– Zinsentlastungsfonds für Altschulden bei besonders belasteten Bundesländern
– Übertragung von Steuerkompetenzen auf die Bundesländer

1. Begrenzung der Neuverschuldung
Der Abbau der Staatsverschuldung und die Konsolidierung der Haushalte sind Voraussetzung dafür, dass die Politik auch in Zukunft den notwendigen Gestaltungsspielraum hat. Derzeit binden die Zinszahlungen der öffentlichen Hand Finanzmittel in Höhe von 70 Mrd. Euro jährlich – dies ist mehr als zweimal so viel wie der gesamte Landeshaushalt von Baden-Württemberg. Diese Mittel werden dringend für wichtige Zukunftsaufgaben wie Bildung und Forschung gebraucht. Nur wenn sich der Gestaltungsspielraum künftig erhöht und nicht weiter verringert, können die Herausforderungen der Globalisierung und der demographischen Entwicklung erfolgreich angegangen werden.

Der Rahmen des Grundgesetzes für die Nettokreditaufnahme von Bund und Ländern muss künftig klarer und enger geregelt werden. Das grundsätzliche Ziel, in normalen Jahren keine Verschuldung zuzulassen, ist zwar langfristig wünschenswert, angesichts der Haushaltslage eines Teils der Länder in den nächsten Jahren jedoch nicht zu realisieren. Dies bedeutet, dass das Grundgesetz eine Obergrenze der Neuverschuldung vorgeben muss, die auch die hoch verschuldeten Länder mittragen können, ohne in die Gefahr von dauerhaft verfassungswidrigen Haushalten zu kommen. Einen mittleren Weg, den alle gehen können, zeigt der Vorschlag von Bundesfinanzminister Steinbrück auf, indem er die Kreditaufnahme bei 0,5 % des BIP begrenzt und so jährlich eine Verschuldung im Gesamtvolumen von 12 Milliarden Euro zulässt. Diese Schuldengrenze ist im Vergleich zu der heute praktizierten Schuldenaufnahme ein ehrgeiziges Ziel. Dennoch stellt diese Verschuldungsgrenze sicher, dass bei einem normalen Wachstum die jetzige Schuldenstandsquote nicht weiter steigt.

2. Zinsentlastungsfonds für Altschulden
In den hochverschuldeten Ländern sind inzwischen die Schulden der Grund für neue Schulden. Ohne Entlastung kommen diese Länder – auch bei sehr einschneidenden Sparmaßnahmen – nicht aus der Schuldenfalle. Nur wenn die überdurchschnittlich verschuldeten Länder von Zinsen entlastet werden, können auch alle 16 Länder einer verbindlichen Schuldenbegrenzung zustimmen.

Der jetzt in den Eckpunkten der Kommissionsvorsitzenden Oettinger und Struck vorgeschlagene Fonds mit einem jährlichen Volumen von 1 – 1,2 Milliarden Euro (finanziert je zur Hälfte vom Bund und den nicht ausgleichsberechtigten Ländern) soll diese Schuldendiensthilfe gewährleisten. Der voraussichtliche jährliche Beitrag Baden-Württembergs von 80 bis 100 Mio. € ist ein sehr hoher Preis angesichts der eigenen Finanzierungsdefizite im Land, insbesondere bei Bildung
und Infrastruktur. Deshalb kann einem solchen Fonds aus der Sicht des Landes nur im Rahmen eines ausgewogenen Gesamtpaktes zugestimmt werden. Dazu gehören die Einhaltung der vereinbarten Schuldengrenze von allen Beteiligten, die Befristung des Fonds bis spätestens 2019 sowie die Übertragung von Steuerkompetenzen auf die Länder.

3. Steuerkompetenzen für die Länder
Eine Reform des Föderalismus, die die finanzpolitische Verantwortlichkeit und Eigenstaatlichkeit der Länder stärken will, muss als unverzichtbare Komponente auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder auf der Einnahmeseite verbessern. Dazu gehört insbesondere die Übertragung von substanziellen Steuerkompetenzen auf die Ebene der Länder. Die Länder sollen hierfür im Rahmen eines Korridors Hebesatzrechte bei der Einkommenssteuer sowie bei denjenigen Steuern erhalten, deren Aufkommen den Ländern gänzlich zukommt. Selbstverständlich dürfen sich die neuen Gestaltungsmöglichkeiten nicht auf den Länderfinanzausgleich auswirken.

Das aktuelle Eckpunktepapier der Kommissionsvorsitzenden gibt unter dem Stichwort Steuerautonomie entsprechende Ansatzpunkte. Allerdings sind diese Formulierungen im Vergleich mit den anderen angesprochenen Bereichen recht vage geblieben. Zwei Arbeitsgruppen sollen Vorschläge zur Stärkung der Gesetzgebungskompetenz der Länder bei der
Grund- und Erwerbssteuer machen und Zuschlagsrechte der Länder bei der Einkommensund Körperschaftssteuer prüfen.

Bei der Übertragung von Steuerkompetenzen handelt es sich um ein wesentliches Anliegen von Baden-Württemberg. Ohne substanzielle Verbesserungen auch bei der Steuerautonomie der Länder als Teil eines Gesamtpaketes wird eine Einigung bei der Föderalismusreform II aus unserer Sicht deshalb nicht möglich sein.

Historische Chance nicht verpassen
Die Vertreter der Landtage werden sich in den nun eingesetzten Arbeitsgruppen als Motor für eine umfassende Reform der Finanzverfassung einsetzen. Mit der großen Koalition und der derzeitigen Konjunkturlage im Rücken kann die Föderalismuskommission noch bis zum Jahresende eine umfassende Finanzreform anstoßen. Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese historische Chance nicht verpasst und eine Einigung auf eine ausgewogene
Paketlösung erreicht wird.