Wolfgang Drexler: „Forschung ist die Quelle des Wohlstandes von morgen – der für den Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg schädliche Aderlass im Forschungshaushalt muss korrigiert werden“

Nils Schmid: „Wir brauchen in diesem Jahr auch einen besonderen Impuls für Wachstum und Beschäftigung – die Reformen auf Bundesebene dürfen nicht durch falsche landespolitische Weichenstellungen konterkariert werden“

Wolfgang Drexler, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, hat den Entwurf der Landesregierung zum Landeshaushalt 2004 als „völlig falsche Weichenstellung“ für die mittel- und langfristigen Entwicklungschancen Baden-Württembergs scharf kritisiert und zugleich das Gegenkonzept seiner Fraktion für die anstehenden Plenarberatungen vorgestellt. Als „Dummheit sondergleichen“ bezeichnete Drexler die von der Landesregierung geplanten drastischen Einschnitte bei der Forschungsförderung und bei den Fachhochschulen. „Forschung ist die Quelle des Wohlstandes von morgen. Durch den Aderlass im Forschungshaushalt und bei den Fachhochschulen beschädigt die Landesregierung den Wissenschafts- und Technologiestandort Baden-Württemberg dauerhaft“, so Drexler.

Die von der Landesregierung vorgesehenen Kürzungen im Forschungsbereich von über 22 Mio. € hätten zur Folge, dass zusätzlich Drittmittel in mindestens derselben Höhe entfallen. Deshalb müsse mit tatsächlichen Kürzungen bei der Forschung in Baden-Württemberg in diesem Jahr im Umfang von etwa 50 Mio. € gerechnet werden. Ein derart drastischer Einschnitt bei der Forschung werde sich mittel- und langfristig bitter rächen, da der Reichtum unseres Bundeslandes auf dem Erfindungsgeist und Geschick seiner Menschen gründe. Das Wissenschaftsministerium selbst schreibt in seinem Bericht zum Haushalt 2004 dazu, dass die „Einsparungen im Forschungsbereich“ die „kritische Masse“ gefährdeten, „die insbesondere in den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen notwendig ist, um für nationale und internationale Förderorganisationen weiterhin attraktiv und leistungsfähig zu sein“ (Seite 58), bei den Fachhochschulen sei die „ordnungsgemäße Abwicklung des Lehr- und Forschungsbetriebs erheblich eingeschränkt“ (S. 52). Die SPD-Fraktion wird deshalb in ihrem Umschichtungskonzept für den Landeshaushalt im Forschungsbereich einen deutlichen Schwerpunkt setzten.

Unverantwortlich seien auch die dramatischen Kürzungen bei den Investitionen, insbesondere im kommunalen Bereich. Dadurch würden die Reformen auf Bundesebene zur Einleitung einer tragfähigen wirtschaftlichen Erholung in diesem Jahr konterkariert und positive Impulse für Wachstum und Beschäftigung bei Mittelstand und Handwerk in Baden-Württemberg verspielt.

Das Haushaltskonzept der SPD im Überblick
Die SPD-Fraktion hat auf ihrer Klausurtagung in Villingen-Schwenningen vor diesem Hintergrund ein Konzept für den Landeshaushalt 2004 beschlossen, das einen besonderen Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung sowie auf die Förderung von Investitionen legt. Außerdem soll die Schuldenaufnahme verringert und damit ein verfassungsgemäßer Haushalt sichergestellt werden. Durch Umschichtungen sollen vor allem die Kinderbetreuung und die schulische Bildung gestärkt sowie Existenz bedrohende Kahlschlagskürzungen bei sozialen und kulturellen Einrichtungen rückgängig gemacht werden.

Verfassungsgemäßen Haushalt sicherstellen – Schulden um 200 Mio. € verringern
Mit ihrem Haushaltskonzept will die SPD-Fraktion auch sicherstellen, dass ein verfassungsgemäßer Haushalt zustande kommt und die Schuldenaufnahme des Landes abgesenkt wird. Ein solcher Kraftakt für den Landeshaushalt sei aber nur zu schaffen, wenn das Landesvermögen neu geordnet wird, um daraus finanzpolitischen Handlungsspielraum zu gewinnen. Mit dieser Neuordnung will die SPD nach den Worten von Wolfgang Drexler also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie will die Nettokreditaufnahme um insgesamt mehr als 200 Mio. € verringern und gleichzeitig notwendige Investitionen bei der Kinderbetreuung, beim Ausbau von Ganztagesschulen sowie beim Wohnungs- und Straßenbau finanzieren.

Investitionen in Baden-Württemberg auf historischem Tief
Als nicht akzeptabel und in der jetzigen Situation wirtschaftspolitisch völlig falsch bezeichnete Drexler die massiven Einschnitte bei den Investitionen im Landeshaushalt. Mit einer Investitionsquote von gerade noch 8,5 Prozent sei der Entwurf der Landesregierung für den Haushalt 2004 auf einem historischen Tief angekommen. Gerade in diesem Jahr komme es aber darauf an, Wachstums- und Beschäftigungsimpulse für die mittelständische Wirtschaft und das Handwerk im Land zu geben.

Trotz Wohnungsnot insbesondere in den Groß- und Universitätsstädten werde der Bewilligungsrahmen für die soziale Wohnraumförderung, die städtebauliche Erneuerung und die Modernisierung einschließlich Energieeinsparung im Entwurf der Landesregierung noch einmal um rd. 30 Mio. € gekürzt. Allein 20 Mio. € entfallen dabei auf die Einsparung von Landesmitteln, obwohl die Landesregierung an anderer Stelle zu Recht immer wieder darauf hinweise, dass diese Fördermittel eine bis zu achtfache Investitionssumme auslösen und durch die damit zu erzielenden Steuermehreinnahmen letztlich per saldo der öffentliche Haushalt gar nicht zusätzlich belastet wird. Das Gesamtvolumen der Wohnraumförderung des Landes, die vor 10 Jahren noch über 700 Mio. € betrug, sei mit dem Entwurf 2004 mit 196,3 Mio. € sogar unter die 200 Mio. € Grenze gefallen. Die SPD-Fraktion werde deshalb eine Offensive zur Verstetigung des Wohnungsbaus in Baden-Württemberg mit zusätzlich 200 Mio. € einleiten, finanziert aus dem Forderungsverkauf von Wohnungsbaudarlehen.

Auch durch die Kürzung von Investitionen in der öffentlichen Infrastruktur unseres Landes, etwa beim Landesstraßenbau und insbesondere bei kommunalen Investitionen in den Bereichen ÖPNV, Kommunalstraßen und Krankenhausbau werde Wachstum und Beschäftigung in Baden-Württemberg von der Landesregierung massiv beschnitten. Als besonderes dreist bezeichnete Drexler das Vorgehen der Landesregierung gegenüber den Kommunen. Auf Bundesebene hätten CDU und FDP im Vermittlungsausschuss mit ihrem Veto gegen den Beschluss von Bundesregierung und Bundestag die Finanzen für die Kommunen des Landes um mindestens 60 Mio. € pro Jahr verschlechtert und gleichzeitig hier im Land im Kommunalen Finanzausgleich über 200 Mio. € gestrichen, davon rd. 80 Mio. € direkt bei den kommunalen Investitionen.

Die SPD-Fraktion fordert deshalb die Rücknahme der Kürzungen bei den Investitionszuschüssen für Städte und Gemeinden und hat diese Summe in ihrem Haushaltskonzept entsprechend gegenfinanziert.

Schlusslicht bei der Kinderbetreuung
Wolfgang Drexler stellte fest, dass Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer bei der Kinderbetreuung nach wie vor Schlusslicht ist. Gerade die Ergebnisse der Pisa-Studien hätten jedoch deutlich gemacht, dass es sich hier um eine zentrale Zukunftsaufgabe der Politik handele. Die problematische demografische Situation, das Streben nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Fachkräftemangel im Land und die möglichst frühzeitige Integration und Förderung von benachteiligten Kindern erforderten ein rasches Handeln der Landespolitik, um die offenkundigen Defizite zu überwinden. Der Ausbau der Kinderbetreuung mit 2.500 zusätzlichen Betreuungsplätzen und die Einrichtung von 150 zusätzlichen Ganztagesschulen seien deshalb weitere wichtige Schwerpunkt im Haushaltskonzept der SPD-Fraktion.

Kahlschlag im Sozial- und Kulturbereich verhindern
Die SPD-Fraktion werde es auch nicht hinnehmen, dass im Sozial- und Kulturbereich in unverantwortlicher Weise mit dem Rasenmäher gespart werde mit der Folge, dass viele bewährte und wichtige Einrichtungen wegen dieser Kürzungen vor dem Aus stünden. So beabsichtige die Landesregierung zum Beispiel, die Förderung des Landes für Mobile Soziale Dienste, Nachbarschaftshilfen und Pflegedienste für zeitintensive Pflege ganz einzustellen und damit insgesamt 400.000 € zu sparen.

Die gesellschaftlichen Folgekosten einer solchen unbedachten Sparoperation sind nach den Worten von Wolfgang Drexler unübersehbar und übersteigen die vordergründigen Einsparungen um ein Vielfaches. Durch Streichungen unter anderem im Agrarhaushalt, beim Flughafen Söllingen und bei der Imagekampagne will die SPD deshalb Umschichtungen im Landeshaushalt vornehmen zu Gunsten von Sozial- und Kultureinrichtungen, die durch die vorgesehenen Kürzungen der Regierung in ihrer Substanz gefährdet sind.

Nils Schmid: Einzelheiten zum Haushaltskonzept der SPD-Landtagsfraktion
Nils Schmid, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, erläuterte vor der Presse die Einzelheiten zum Finanzierungskonzept seiner Fraktion für die beantragten Mehrausgaben und die Absenkung der Neuverschuldung des Landes um gut 200 Mio. €.

Die SPD-Fraktion fordert zunächst strukturelle Kürzungen in Bereichen, die nicht zu den vordringlichen Aufgaben der Landespolitik gehören. So will die SPD die vorgesehenen Landesmittel von knapp 15 Mio. € für die Förderung von Luftlandeplätzen streichen. Diese Flughäfen sollten wirtschaftlich arbeiten und ihre Finanzierung selber tragen können, so Schmid. Ein Ärgernis sei auch die Fortdauer der so genannten Imagekampagne des Landes mit rd. 6 Mio. € trotz prekärer Haushaltslage und drastischen Einschnitten in anderen Bereichen im Landeshaushalt. Deutliche Kürzungen im zweistelligen Millionenbereich sollten nach Auffassung der SPD-Fraktion auch bei der Agrarförderung vorgenommen werden. Dazu gehöre auch, dass nicht mehr alles im Agrarbereich lediglich deshalb finanziert werden könne, weil hierfür zusätzliche Komplementärmittel vom Bund oder der EU zur Verfügung stünden. Deshalb will die SPD auch bei der so genannten Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur Kürzungen beantragen.

Außerdem fordert die SPD-Fraktion die Gründung eines Landesbetriebes Forsten, weil sie sich davon ein deutlich besseres Ergebnis bei der Holzbewirtschaftung verspricht. Schließlich müsse beim völlig verkorksten NSI-Projekt der Landesregierung jetzt endlich die Notbremse gezogen und die vorgesehenen Ausgaben für 2004 gestrichen werden.

Ein zweiter Bereich zur Finanzierung des Haushaltskonzepts der SPD ergibt sich aus der Neuordnung von Landesvermögen. Der Anteil des Landes an der Landesbank Baden-Württemberg soll nach dem Willen der SPD auf die Sperrminorität begrenzt und die Landesstiftung aufgelöst werden. Mit den Erlösen aus dieser Neuordnung will die SPD-Fraktion Landesschulden tilgen und mit den daraus resultierenden nachhaltigen jährlichen Einsparungen beim Schuldendienst des Landes insbesondere den Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagesschulen dauerhaft finanzieren.

Als dritte Finanzierungsquelle bezeichnete Schmid die Mobilisierung von Veräußerungserlösen aus dem Verkauf der Rothaus AG an die L-Bank und Forderungsverkäufen von Wohnungsbaudarlehen für ein auch kurzfristig wirksames Investitionsprogramm zur Stärkung von Wachstum und Beschäftigung. Damit will die SPD die dringend benötigte Aufstockung der Wohnbauförderung, die Stabilisierung beim Landesstraßenbau und die Rücknahme der Investitionskürzungen bei den Kommunen erreichen: beim ÖPNV, den Kommunalstraßen, beim Krankenhausbau sowie beim Schulhaus- und Sportstättenbau.

Schmid: „Mit diesem Finanzierungskonzept gelingt uns die dringend notwendige Verstärkung der Investitionen, wir erhalten den Forschungs- und Technologiestandort Baden-Württemberg, wir bauen die Kinderbetreuung und die Ganztagesschulen aus und wir schichten innerhalb des Haushaltes um zu Gunsten von Sozial- und Kultureinrichtungen. Wir können mit diesem Konzept zudem die geplante Rekordverschuldung des Landes um mehr als 200 Mio. € absenken und leisten damit zugleich auch einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Gefahr eines nicht verfassungsgemäßen Haushalts gebannt ist.“

Helmut Zorell
Pressesprecher