Ich denke immer noch über die Wahlen nach, und weil ich zuletzt sehr vor der eigenen Haustüre gekehrt habe, geht es jetzt mal um die anderen, genauer gesagt um CDU und CSU. Die betonen ja immer gerne, rechts von Ihnen dürfe es keine politischen Kräfte geben. Weil es im Moment aber nun mal ganz anders aussieht, fährt die CDU eine merkwürdige Doppelstrategie: Man erklärt Brandmauern und Unvereinbarkeiten und schwört, niemals mit der AfD zu kooperieren. Und gleichzeitig lehnt man sich immer wieder ganz weit nach rechts aus dem Fenster.

Ich will das mal nur am Thema der Geflüchteten aus der Ukraine festmachen. Da hat CDU-Chef Friedrich Merz ja schon die abenteuerlichsten Thesen von sich gegeben, sprach von Menschen, die nicht deswegen nach Deutschland geflohen sind, weil ihnen zuhause Raketen auf die Häuser fallen, sondern weil sie sich hier „ihre Zähne richten“ lassen wollen. Das stimmt nicht, und bezahlt wird der Zahnarzt bei Geflüchteten nur bei dringenden Beschwerden, aber es war so schön populistisch. Und auch sonst hat Merz schon oft durchblicken lassen, es sei das viele Geld, das so viele Ukrainer nach Deutschland locke. Dass in Polen noch viel mehr Geflüchtete sind, dass Ukrainer hier halt mehr Verwandte haben als in Italien und Deutschland näher an der Ukraine liegt als Portugal – Friedrich Merz ist auch das egal. Wirklich entschuldigt hat er sich nie für seine Wirrheiten.

Und nun Alexander Dobrindt, der Klassensprecher der CSU-Bundestagsabgeordneten. Geflüchtete aus der Ukraine, die hier „nicht arbeiten wollen“, sollen zurückgeschickt werden – in die Ukraine, und zwar in die „sicheren Gebiete“, die Dobrindt dort kennt. Der Mann sieht keine Tagesschau, er fragt aber auch nicht bei der Agentur für Arbeit nach. Die zahlt die Leistungen an Geflüchtete aus der Ukraine aus – auch an die rund 500 000 Menschen, die offiziell „erwerbsfähig“ sind. Das sind übrigens alle Menschen über 15, die nicht krank oder in Rente sind. Also auch Jugendliche in der Schule, Mütter mit kleinen Kindern oder Menschen, die kranke Angehörige pflegen. Für die die tatsächlich „nicht arbeiten wollen“, gibt es Sanktionen. Doch, das kommt vor, denn auch unter Kriegsflüchtlingen gibt es Faulpelze. Denen kürzt die Agentur die Mittel. Aktuell betrifft das 0,2 Prozent der Fälle. Soll heißen: Alexander Dobrindt macht großen Wind um ein Problem, das eigentlich gar nicht ins Gewicht fällt – außer, wenn es um populistische Stimmungsmache geht.

Ja, die SPD steht bei Flüchtlingsorganisationen in der Kritik, weil wir prüfen, Schwerkriminelle auch dann abzuschieben, wenn sie zum Beispiel aus Afghanistan kommen. Doch während wir es uns schwer machen, haut so ein Dobrindt mal eben Parolen raus, die auch zur AfD passen würden. Die auch zur AfD passen sollen. Aber genau wie Friedrich Merz wird auch Alexander Dobrindt keine rechtsgewendeten Wähler für CDU und CSU einfangen. Denn je öfter er die AfD nachmachen will, desto öfter wird sich das einschlägige Publikum für das Original entscheiden. Einen Wettbewerb in Populismus wird eine demokratische Partei gegen die AfD immer verlieren. Und alles, was Merz und Dobrindt zustande kriegen, ist eine Legitimierung der Rechtsextremen: „Die CSU sagt das auch!“.

Dauernd fragt man mich, für was die SPD heute noch steht. Auch bei diesem Thema und gegenüber von CDU und CSU kann ich das buchstabieren. S-P-D: Statt Pöbeln Denken.

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Geßmann Fraktion
Simone Geßmann
Beraterin für Recht, Verfassung, Medienpolitik