Es war nur geflüstert, aber diese Woche war mal wieder das Wort „Tempolimit“ zu hören im Land. In Stuttgart stellte die Regierung vor, wie der Verkehrslärm begrenzt werden soll. Und ja, manchmal sei es auch sinnvoll, dafür innerorts mit Tempo 30 zu arbeiten.

Der FDP war auch das Geflüster schon zu viel, sofort wurde gegen Tempolimits „mit der Brechstange“ gewettert. Um was es ging? Dass Kommunen solche Limits schon lange einführen? Nicht so wichtig. Es ging ja weniger um Verkehrslärm als um Ideologie.

Ideologie ist das, was Konservative üblicherweise anderen vorwerfen. Dann gibt es die „Grüne Ideologie“ oder die „Ideologien der Sozialdemokratie“. Dem würde ich bei der SPD nicht einmal widersprechen wollen, zumindest Ideale haben wir, und da bin ich auch stolz drauf.

Spannend ist aber, dass die Konservativen (und Liberalkonservativen) selbst äußerst verbissene Ideologien verfolgen. Ich sage noch mehr, immer wieder kippen bestimmte Themen ins Kultische. Dazu gehört das Tempolimit. Das sorgt für weniger Lärm, Spritverbrauch und Abgase, für flüssigeren Verkehr, weniger Stau und vor allem weniger Stress und Autobahn-Aggro… alles bewiesen. Aber CDU und FDP begegnen dem Thema mit kultischer Verehrung statt mit Vernunft: Freie Fahrt, freie Bürger, da werden nur noch Bekenntnisse heruntergebetet und Argumente müssen leider draußen bleiben.

Atomkraft? Riskant, nicht ausgereift (Atommüll?), unterm Strich viel zu teuer und vor allem im modernen Energiemix unseres Landes vollkommen unsinnig. Alles bewiesen, und die Konzerne, die die Reaktoren früher betrieben, haben das Thema längst abgehakt. Nicht aber die Konservativen und Liberalen. Auch die Atomkraft erfährt hier kultische Verehrung, und immer wieder kommen sie mit ihren Reaktoren um die Ecke. Auch hier geht es nicht um Energiewirtschaft, sondern um Ideologie.

Ich könnte jetzt auch noch über Bildung reden, über den konservativen Kult des Kindersortierens (Dreigliedriges Schulsystem! Sitzenbleiben!) trotz aller Beweise, dass es moderne und bessere Schulsysteme gibt. Ich muss aber noch schnell auf den Bundeshaushalt zu sprechen kommen. Auch hier ist die Lage eigentlich unbestritten: Wir haben gewaltige Krisen, gewaltige Herausforderungen, einen gewaltigen Investitionsstau. Jetzt in unser Land zu investieren ist zwingend, wenn wir das Ruder erfolgreich herumreißen wollen. Das sagen auch fast alle Volkswirtschaftler, das fordert inzwischen auch die Industrie – aber die Hohepriester der schwarzen Null radikalisieren sich dadurch nur noch mehr, und sie lassen sich auch von Ökonomen nichts vorrechnen. Glaubensbekenntnisse vertragen keine Argumente. Sie vertragen auch keine Mathematik.

Kultische Handlungen als politische Basis verträgt wiederum unser Land nicht. Das muss sich schnell ändern. Ganz schnell bitte – in diesem Fall auch gerne ohne Tempolimit.