Hier geht es zur PDF-Version

1. Ausgangslage

Bereits im vergangenen Jahr wurde vom Verkehrsministerium ein erster Entwurf des Landesmobilitätsgesetzes (LMG) vorgelegt, der von der CDU als „keine geeignete Grundlage für den weiteren Prozess“ zurückgewiesen wurde. Seitdem fand hinter den Kulissen ein mühsamer Abstimmungsprozess zwischen Grün und Schwarz zum LMG statt. Nach einer ersten Anhörung wurde vom Kabinett am 17.12.2024 ein Gesetzentwurf verabschiedet.

2. Geplante Inhalte

Als Rahmengesetz soll das LMG bestehende, verkehrsträgerspezifische Gesetze des Landes, wie beispielsweise das ÖPNV-Gesetz BW oder das Straßengesetz BW ergänzen.

Es wird die Funktion der Kreiskoordinatorinnen und Kreiskoordinatoren für die Radverkehrsnetze eingeführt, die vom Land finanziert, in den Landratsämtern sitzen sollen und umfassende Berichtspflichten gegenüber dem Verkehrsministerium haben. Die Landkreise sollen die Möglichkeit erhalten, gegenüber dem Verkehrsministerium auf diese Stellen zu verzichten.

Daneben werden Regelungen zur Beschaffung sauberer Fahrzeuge zu der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1161 (Clean Vehicles Directive) über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge, sowie zu der Umsetzung des Bundesgesetzes über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge vom 9. Juni 2021 getroffen.

Bei der Umsetzung der Clean Vehicles Directive (CVD) der EU und des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG) werden dabei, entgegen der ursprünglichen Absicht des Verkehrsministers, die Regelungen der EU und des Bundes nicht verschärft, sondern 1:1 umgesetzt. Auch die eigentlich geplanten umfassenden Berichtspflichten und Bußgelder für Kommunen und Kreise, wurden entschärft.

In einem weiteren Abschnitt zu Mobilitätsdaten und dem Digitalen Parkraummanagement schafft das Land die Grundlage für die Digitalisierung der Mobilität und des Verkehrssektors.

Abgeschlossen wird der besondere Teil durch die Regelungen zur Befugnis der kommunalen Gebietskörperschaften in Baden-Württemberg zur Erhebung von Abgaben zur Mitfinanzierung des ÖPNV (Mobilitätspass).

3. Kosten

Im aktuellen Entwurf wurde mit jährlichen Mehrkosten durch das Landesmobilitätsgesetz in Höhe von circa 4,6 Mio. Euro für das Land gerechnet, in erster Linie für die Stellen der Radkoordinatoren. Für die Kommunen wurde mit Mehrkosten in Höhe von circa 1,4 Mio. Euro einmalig und 350.000 Euro neue Personalkosten gerechnet. Zuzüglich Kosten für Fahrzeuge für die Parkraumbewirtschaftung von 5 Mio. Euro und weiterer Kosten für den Mobilitätspass.

Bürokratiekosten für Private entstehen in Höhe von 110.000 Euro (Berichtspflichten).

Der Bürokratieaufwand für die Verwaltung (Land und Kommunen) schlägt mit 8,5 Mio. Euro zu buche, wobei ein Teil Sowieso-Kosten sind.

4. Mobilitätspass

4.1 Grün-Schwarzer Koalitionsvertrag 2021:

„Mobilitätspass für Kommunen ermöglichen: Zur Finanzierung von Angebotsausbau und günstigen Tarifen soll die kommunale Ebene per Landesgesetz das Recht erhalten, auch mit einem Mobilitätspass Einnahmen zu erzielen. Dadurch sollen der ÖPNV gestärkt und das Mobilitätsverhalten geändert werden. Mit dem Mobilitätspass wird ein persönliches ÖPNV-Guthaben in gleicher Höhe verbunden, das beim Kauf von ÖPNV-Zeitkarten eingelöst werden kann. Durch eine Verrechnungspflicht werden wir sicherstellen, dass für Pendlerinnen und Pendler dieses Guthaben zwischen mehreren Abgabegebieten räumlich übertragbar ist und eine Doppelzahlung ausgeschlossen wird.“

4.2 Aktueller Gesetzentwurf:

Das modellhaft konzipierte Drittnutzer-Finanzierungsinstrument „Mobilitätspass“ ist in Deutschland ein Novum. Denn hierzulande wird der ÖPNV noch größtenteils durch die von den Fahrgästen erzielten Fahrgeldeinnahmen und durch Steuergelder finanziert.

Der Mobilitätspass kann von größeren Kommunen oder Landkreisen eingeführt werden. Als Finanzierungsinstrumente sollen zur Verfügung stehen:

– Mobilitätspass für Einwohner und Einwohnerinnen,

– Mobilitätspass für Kraftfahrzeughalter und Kraftfahrzeughalterinnen,

Die ursprünglich geplanten Instrumente City-Maut und Arbeitgeberabgabe sollen entgegen der Wünsche von Grünen und Verkehrsministerium nicht weiterverfolgt werden.

Die kommunale Seite soll dabei zunächst die Möglichkeit haben, sich für grundsätzlich für oder gegen die Einführung eines Mobilitätspass zu entscheiden und dann ein Modell auszuwählen.

Den Abgabenschuldnern soll im Gegenzug für die Abgabe ein Mobilitätsguthaben für die Nutzung des ÖPNV in Höhe der zu leistenden Abgabe eingeräumt werden.

Voraussetzung ist allerdings, dass ein ausreichendes Angebot des ÖPNV zu den gängigen Verkehrszeiten als zumutbare Alternative zum motorisierten Individualverkehr im Zuständigkeitsgebiet des Abgabenberechtigten besteht. Dieses ausreichende Angebot des ÖPNV muss bereits zum Zeitpunkt der Einführung des Abgabeninstruments in der Form des Beitrags vorliegen. Dabei sollen die Ziele der Mobilitätsgarantie als Grundlage dienen.

5. Positionierung der SPD-Landtagsfraktion

Die SPD-Landtagsfraktion lehnt das LMG in der vorliegenden Fassung ab.

1) Das Gesetz widerspricht dem erklärten Ziel der Landesregierung und des Ministerpräsidenten nach Entbürokratisierung. Dies betrift insbesondere die Berichtspflichten der Unternehmen und der kommunalen Ebene gegenüber dem Verkehrsministerium.

2) Ein funktionierender und attraktiver ÖPNV gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Daher ist er aus Steuermitteln zu finanzieren, so wie andere öffentlichen Dienstleistungen auch.

Dies trifft gerade auf ein Bundesland und ein grünes Verkehrsministerium zu, dass sich ein besonders hohes Tempo beim Kampf gegen den Klimawandel zum Ziel gesetzt hat. Ziele festlegen und verkünden und dann andere für die Umsetzung bezahlen lassen, ist keine Strategie.

3) Nach Ansicht der Landesregierung sollen die Einnahmen des Mobilitätspasses nur dazu verwendet werden, Angebotsverbesserungen zu finanzieren, die über das Angebot der Mobilitätsgarantie hinausgehen. Die Mobilitätsgarantie besagt, dass ein verlässliches ÖPNV-Angebot von 5 bis 24 Uhr besteht. Alle Orte sollen zu diesen Zeiten im Ballungsraum mindestens alle 15 Minuten und im ländlichen Raum alle 30 Minuten angebunden sein.

Die SPD ist daher der Meinung, dass deshalb ein Mobilitätspass im ländlichen Raum wirkungslos bleiben wird, da dort das Angebot bei weitem nicht den Anforderungen der Mobilitätsgarantie entspricht, die das Land aber erst ab 2030 umsetzen will.

Auch im Verdichtungsraum bleibt der Mobilitätspass nur Stückwerk, weil er durch seine Anlage, dass er nur von Stadt- und Landkreisen und großen Kreisstädten eingeführt werden kann, das Problem der Pendlerverkehre nicht erfasst und so ein großer Teil der Lenkungswirkung zu Nichte gemacht wird.

4) Der Forderung aus dem SPD-Wahlprogramm nach einer einkommensabhängigen Nahverkehrsabgabe wurde im Gesetzentwurf nicht Rechnung getragen. Auch dass das in anderen Staaten funktionierende Instrument der Arbeitgeberabgabe im vorliegenden Gesetzentwurf gestrichen wurde, lehnen wir ab,

5) In der jetzigen schwierigen wirtschaftlichen Situation würden die Bevölkerung und die Wirtschaft (Fahrzeughalterabgabe für Firmenflotten) mit einer weiteren Steuer zur Finanzierung des ÖPNV herangezogen. Baden-Württemberg würde damit erneut, wie mit den Plänen einer LKW-Maut auf Landes- und Kreisstraßen, einen Sonderweg in Deutschland beschreiten.

6) Wir sind sehr gespannt, wie viele Landkreise tatsächlich die vom Land finanzierten Radkoordinatoren in Anspruch nehmen werden.

Stand: 19.12.2024

Ansprechpartner

Leipnitz Fraktion
Thomas Leipnitz
Berater für Verkehrspolitik