MdL Rolf Gaßmann: „Die offizielle Presseerklärung der Ausschussvorsitzenden über die Anhörung zum Landeswohnungsbauprogramm war tendenziös und wahrheitswidrig – dies ist mit den Pflichten dieses Amtes nicht zu vereinbaren und schadet dem Ansehen des Landtags bei den angehörten Verbänden“

In hohem Maße verärgert ist die SPD-Landtagsfraktion über die offizielle Presseverlautbarung der Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses des Landtags, Veronika Netzhammer, zur Anhörung über das Landeswohnungsbauprogramm. Der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rolf Gaßmann, hat jetzt in einem Brief an Frau Netzhammer den Vorwurf erhoben, sie habe den Ablauf dieser Anhörung „tendenziös und wahrheitswidrig“ dargestellt. Sie habe nur jene Stellungnahmen wiedergegeben, die sich kritisch mit der Bundespolitik auseinandergesetzt hätten, all jene Statements der Verbandsvertreter aber unter den Tisch gekehrt, in denen Kritik an dem Landeswohnungsbauprogramm geübt wurde. Für Rolf Gaßmann ist ein solches Verhalten unvereinbar mit den Pflichten einer Ausschussvorsitzenden. Die tendenziöse Presseerklärung der Ausschussvorsitzenden schade zudem dem Ansehen des Parlaments vor allem bei jenen Verbänden, die ihre kritischen Stellungnahmen in der offiziellen Presseerklärung des Landtags mit keiner Silbe wieder finden. Die SPD-Landtagsfraktion werde diesen Vorgang im Landtagspräsidium zur Sprache bringen, damit sich solche Vorfälle nicht mehr wiederholten, sagte Gaßmann.

Wortlaut des Briefes von Rolf Gaßmann vom 27. November 2002 an die Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses, MdL Veronika Netzhammer (CDU):

„Ihre Pressemitteilung zur Anhörung der Wohnungsverbände zum Landeswohnungsbauprogramm

Sehr geehrte Frau Netzhammer,
als ich Ihre Pressemitteilung über die Anhörung der Wohnungsverbände zum Landeswohnungsbauprogramm gelesen habe, vermutete ich zuerst, dass Sie auf einer anderen Veranstaltung waren. Allein aus dem Datum und dem Betreff „Anhörung im Wirtschaftsausschuss“ schlussfolgere ich, dass es sich bei Ihrer Pressemitteilung um die offizielle Anhörung im Wirtschaftsausschuss handelte, bei der das Wohnungsbauprogramm des Landes zur Diskussion stand.

Zutreffend ist, dass viele Verbandsvertreter sich ablehnend zu den geplanten steuerlichen Verschlechterungen im Wohnungsbau äußerten. Nur dieses ist Ihnen aus der Anhörung berichtenswert. Einmütig war aber auch die Kritik der Verbände an der Wohnungsbauförderung des Landes. So wurde von fast allen Verbandsvertretern die enge finanzielle Ausstattung des Landeswohnungsbauprogramms gerügt. Die meisten Verbandsvertreter zeigten Unverständnis für eine weitere Reduzierung des Landesanteils am Wohnungsbauprogramms auf nur noch 25. Mio. €. Als Vergleich wurde unser Nachbarland Bayern positiv angeführt, welches im nächsten Jahr immerhin noch 200 Mio. € für den Wohnungsbau einsetzen wird. In Ihrer Pressemitteilung findet sich seltsamerweise kein Wort über die heftige Kritik der Verbände an der finanziellen Ausstattung des Landeswohnungsbauprogramms.

Des Weiteren behaupten Sie wahrheitswidrig in Ihrer Pressemitteilung, dass die Verbände den Schwerpunkt in der Eigentumsförderung ausdrücklich begrüßt hätten. Wahr ist, dass es z.B. in der Stellungnahme des Städtetages heißt: „Auch ist zu beklagen, dass auch in diesem Förderjahr vom Gesamtbewilligungsrahmen nahezu 80 % der Subventionen in Eigentumsmaßnahmen fließen, während nur 20 % für den Mietwohnungsbau vorgesehen sind….“. Entsprechend äußerte sich auch der Vertreter des Mieterbundes. Diese Stellungnahmen liegen zwar schriftlich vor, werden aber in Ihrer Pressemitteilung unterschlagen.

Von einseitiger Wahrnehmung zeugt auch, dass die von mehreren Verbandvertretern vorgetragene Forderung nach vollständiger Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe in Ihrer Pressemitteilung fehlt, wohl weil die Parlamentsmehrheit und Sie selbst erst kürzlich im Landtag gegen diese Forderung der Verbände gestimmt haben. Deshalb darf sie offensichtlich auch nicht in der Pressemitteilung des Wirtschaftsausschusses auftauchen.

Es bleibt Ihnen unbenommen, eine solche tendenziöse und wahrheitswidrige Darstellung einer Anhörung aus Sicht Ihrer Parteibrille und als CDU-Abgeordnete zu veröffentlichen. Als Vorsitzende des Wirtschaftsauschusses erwarte ich von Ihnen aber eine einigermaßen objektive und wahrheitsgetreue Wiedergabe von Anhörungsverlauf und -ergebnis. Dabei geht es mir auch um das Ansehen des Ausschusses bei den Verbänden, welche ihre Stellungnahmen nur insofern in Ihrer Berichterstattung wieder finden, sofern sie sich kritisch über die Bundespolitik geäußert haben.

Anmerken will ich noch, dass einigen Verbandsvertretern und mir während der Veranstaltung Ihr peinlicher Versuch auffiel, die Anhörung zum Landeswohnungsprogramm in eine Anhörung zum Mietrecht umzufunktionieren, insbesondere auch die von Ihnen an Verbandsvertreter vorgetragene Bitte, Vorschläge zum Abbau der Mieterrechte schriftlich nachzureichen, damit sie zum Protokoll der Sitzung genommen werden könnten.

Mit freundlichen Grüßen
Rolf Gaßmann“

Zu Ihrer Information füge ich Ihnen auch die Presseerklärung des Landtages vom 21. November 2002 bei, auf die sich der Brief von MdL Rolf Gaßmann bezieht:

Presseerklärung des Landtages vom 21. November 2002:

„Anhörung im Wirtschaftsausschuss:
Verbände beklagen schlechte Rahmenbedingungen für Wohnungsbau

Stuttgart. Die seit Jahren anhaltende negative Entwicklung der Wohnungsbautätigkeit in Baden-Württemberg hat sich 2001 nochmals fortgesetzt und zu einem Rückgang der Baufreigaben um 18,7 Prozent geführt. Wurden im Jahr 1994 noch 100.716 Wohnungen bezugsfertig, waren dies im Jahr 2001 nur noch 42.429. Dies geht aus dem Landeswohnraumförderungsprogramm 2003 der Landesregierung hervor, auf dessen Grundlage am gestrigen Mittwoch im Wirtschaftsausschuss des Landtags eine Anhörung der kommunalen Landesverbände, der Verbände der Wohnungsunternehmen, der Arbeitsgemeinschaft der Bausparkassen, der Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümerverbände sowie des Verbandes der Mietervereine stattfand. Wie die Vorsitzende des Ausschusses, die CDU-Abgeordnete Veronika Netzhammer, am Donnerstag, 21. November 2002, mitteilte, wurden von nahezu allen Organisationen vor allem auf Bundesebene bessere Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau gefordert, da sich der Abwärtstrend fortsetzt. Nach Meinung der Experten besteht für Baden-Württemberg ein jährlicher Bedarf von 50.000 neu zu bauenden Wohnungen.

Laut Netzhammer wurde von den Verbänden ausdrücklich begrüßt, dass im Bereich der Eigentumsförderung des Landes ein absoluter Förderschwerpunkt bei Familien mit Kindern vorgesehen ist und dass in Groß- und in Universitätsstädten der Mietwohnungsbau einen Fördervorrang bekommt. Begrüßt wurden auch das Programm „Attraktive Innenstadt“ sowie die Förderung von Sanierungsmaßnahmen im Altbau.

Kritisch äußerten sich die Organisationen zu den Plänen der Bundesregierung, „die Rahmenbedingungen im Wohnungsbau durch den Abbau von Subventionen und Steuervorteilen zu verschlechtern“. In diesem Zusammenhang richteten sie an die Landesregierung den Appell, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen, dass die Eigenheimzulage für Familien mit mindestens zwei Kindern denselben Subventionswert behalten soll wie bisher. Auch die degressive Abschreibung müsse bestehen bleiben, damit der Wohnungsbau für Investoren weiterhin eine sinnvolle Alternative zu anderen Anlageformen darstelle, gerade auch im Blick auf die Errichtung von Mietwohnungen. Darüber hinaus baten die Verbände um ein Veto gegen eine weitere Verschärfung der Besteuerung von Wertzuwächsen beim Verkauf fremd genutzter Immobilien. Im Übrigen müsse die Bundesregierung den verlängerten Abschreibungszeitraum für bestandserhaltende Modernisierungsmaßnahmen wieder einführen, um Schwarzarbeit zu verhindern und dem Mittelstand Steueranreize zu verschaffen.

„In der Anhörung ist deutlich geworden“, resümierte die Ausschussvorsitzende, „dass die im Landeswohnungsbauprogramm eingestellten Mittel die vom Bund verursachten Verschlechterungen keinesfalls kompensieren können. Das Land kann nur versuchen, das Schlimmste zu verhindern.“

Helmut Zorell

Pressesprecher