Ute Vogt: „Baden-Württemberg hat höhere Pensionsverpflichtungen als jedes andere Flächenland – die dramatisch steigenden Pensionslasten dürfen nicht auf die kommende Generation abgewälzt werden“

Dr. Nils Schmid: „Eine nachhaltige und transparente Haushaltspolitik erfordert zwingend eine Pensionsrücklage für alle neu eingestellten Beamten – nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz“

Landespressekonferenz der SPD-Landtagsfraktion am 27. März 2007 mit Prof. Dr. Ingolf Deubel, Finanzminister Rheinland-Pfalz, Ute Vogt, SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende und Dr. Nils Schmid, stv. Fraktionsvorsitzender und finanzpolitischer Sprecher

Pensionsfonds jetzt!

I. Die Landesregierung hat kein Konzept: Ein Pensionsfonds wurde angekündigt, aber nichts bisher umgesetzt
In Baden-Württemberg besteht bei der Vorsorge für künftige Pensionen akuter Handlungsbedarf. Nach den Berechnungen des Finanzwissenschaftlichen Institutes Freiburg (Raffelhüschen u.a. 2005: Die Pensionslasten der Bundesländer im Vergleich) hat Baden-Württemberg die höchsten Pensionslasten aller Flächenländer.

In einer neueren Studie, die allerdings keine Berechnungen zu den absoluten Zahlen der Pensionslasten enthält, hat das Freiburger Institut (Raffelhüschen 2006: Die Schulden und Versorgungsverpflichtungen der Länder) den Barwert der Pensionsverpflichtungen des Landes in Höhe von 273 Mrd. Euro in das Verhältnis zu den prognostizierten Steuereinnahmen gesetzt. Bei dieser Berechnungsmethode liegt Baden-Württemberg im Ländervergleich im Mittelfeld.

Bis 2030
• verdoppelt sich nahezu die Zahl der Versorgungsempfänger von heute 58.000 auf voraussichtlich 109.000
• steigen die Pensionsausgaben (einschließlich Beihilfen) im Landeshaushalt von derzeit 3,1 Mrd. Euro auf 7,3 Mrd. Euro
• steigt der Anteil der Versorgungsausgaben (ohne Beihilfen) an den Gesamtausgaben im Landeshaushalt von 9,69 Prozent im Jahre 2005 auf 14,63 Prozent

Der Ministerpräsident hat zwar in seiner Regierungserklärung am 21. Juni 2006 die Einrichtung eines Pensionsrücklagenfonds angekündigt. Bislang hat die Landesregierung aber nichts vorgelegt. Auch im aktuellen Doppelhaushalt für die Jahre 2007 und 2008 hat die Landesregierung keine Pensionsrücklage vorgesehen. Die Landesregierung hat offenkundig kein Konzept, wie sie die steigenden Pensionslasten und den Anstieg der versteckten, impliziten Schulden durch Pensionsverpflichtungen in den Griff bekommen will.

Rechnet man zu den expliziten, im Haushalt ausgewiesenen Schulden, die implizite Verschuldung durch Pensionsverpflichtungen hinzu, dann hat Baden-Württemberg pro Kopf der Bevölkerung den höchsten Schuldenberg aller Flächenländer. Zur Nachhaltigkeit der Haushaltspolitik gehört deshalb zwingend auch die Vorsorge für künftige Zahlungsverpflichtungen.

II. Andere Bundesländer und der Bund haben Pensionsfonds bereits
eingerichtet

Andere Bundesländer, wie Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Sachsen haben sich schon vor Jahren der Herausforderung stark steigender Pensionszahlungen gestellt und Pensionsfonds eingerichtet. Mittlerweile hat auch der Bund mit Beginn dieses Jahres einen Versorgungsfonds eingerichtet.

Vorreiter unter den Ländern war Rheinland-Pfalz, das schon 1996 einen Pensionsfonds eingerichtet hat. Das Land zahlt seitdem für jeden ab 1996 eingestellten Beamten monatlich den entsprechenden rechnerischen Versorgungsanteil am Bruttogehalt in den Fonds ein. Aus diesem Fonds sollen künftig die Pensionsansprüche der ab 1996 eingestellten Beamten finanziert werden. Inzwischen gewährleistet dieser Fonds die Pensionsansprüche von einem Viertel der aktiven Beamten in Rheinland-Pfalz.

III. Die Entwicklung der Pensionsverpflichtungen in Baden-Württemberg
Die Entwicklung der Pensionslasten in der mittel- und langfristigen Finanzplanung im Landeshaushalt ist besorgniserregend. Die Zahl der Versorgungsempfänger steigt von heute etwa 58.000 Ruhestandsbeamten – die etwa 23.000 Witwen, Witwer und Waisen nicht eingerechnet – auf voraussichtlich rund 109.000 Ruhestandsbeamte im Jahre 2030.

Damit verdoppelt sich nahezu die Zahl der Versorgungsempfänger in den nächsten 23 Jahren. Dieser erhebliche Anstieg der Ruhestandsbeamten in den nächsten beiden Jahr-zehnten führt zu einem deutlichen Anstieg der Pensionsausgaben einschließlich Beihilfen im Landeshaushalt von derzeit rund 3,1 Mrd. Euro auf rund 7,3 Mrd. Euro im Jahr 2030 (siehe Landtagsdrucksache 14/687).

Die Pensionsausgaben wachsen also stärker als die prognostizierten Gesamtausgaben und die Steuereinnahmen. Der Anteil der Versorgungsausgaben (ohne Beihilfe) an den Gesamtausgaben im Landeshaushalt wird nach den Berechnungen des Finanzministeriums vom August 2006 unter gleichbleibenden Bedingungen von 9,69 Prozent im Jahr 2005 auf 14,63 Prozent im Jahr 2030 ansteigen (siehe Landtagsdrucksache 14/95).

IV. Explizite Schulden und implizite Versorgungsverpflichtungen
Baden-Württemberg hat unter allen Flächenländern die höchsten Pensionslasten und die höchste Gesamtverschuldung pro Kopf

Baden-Württemberg hat nach den Berechnungen des Finanzwissenschaftlichen Institutes Freiburg von allen Flächenländern die höchsten Pensionslasten. Der Barwert der Pensi-onsverpflichtungen des Landes beträgt demnach 273 Mrd. Euro. Zu dieser überdurchschnittlichen Belastung kommt es, weil Baden-Württemberg pro Kopf der Bevölkerung im Vergleich mit den Flächenländern die meisten Beamten hat. Bei den Stadtstaaten fallen Kommunalbeamte und Landesbeamte zusammen. Sie sind deshalb nicht mit den Flächenländern vergleichbar.

Bei der expliziten, im Haushalt ausgewiesenen Verschuldung pro Kopf liegt Baden-Württemberg im Vergleich der Bundesländer hinter Bayern und Sachsen noch auf Platz drei. Wenn aber auch die implizite, versteckte Verschuldung aufgrund der Pensionsverpflichtungen in den Blick genommen wird, kehren sich die Verhältnisse völlig um. Baden-Württemberg fällt dann bei der tatsächlichen Pro-Kopf-Verschuldung (Gesamtverpflichtung) auf den letzten Platz aller Flächenländer zurück.

Die explizite Verschuldung und die bestehenden Pensionsverpflichtungen summieren sich für das Land Baden-Württemberg auf 12.805 Euro pro Kopf. Am besten unter den westlichen Flächenländern schneiden Bayern mit 10.611 Euro Gesamtverschuldung pro Kopf und Nordrhein-Westfalen mit 10.639 Euro ab, während das Saarland als Zweitletzter vor Baden-Württemberg auf 12.373 Euro kommt.

Pensionsfonds für Baden-Württemberg: Pensionsverpflichtungen für neu eingestellte Beamte abdecken
Für Baden-Württemberg ist ein Pensionsfonds zwingend. In diesen Fonds soll nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz für jeden neu eingestellten Beamten der versicherungsmathematisch berechnete Versorgungsanteil monatlich eingezahlt werden. Ein solcher Fonds deckt also die künftigen Pensionsverpflichtungen ab. Er macht aber auch schon heute im Haushalt die tatsächlichen Kosten für jeden Beamten transparent und Kostenvergleiche mit Angestellten möglich.

Damit ist der Pensionsfonds ein Beitrag zur Generationengerechtigkeit und zugleich ein wichtiges Instrument für eine nachhaltige Haushaltspolitik.

Helmut Zorell
Pressesprecher