Polizeiexperte Reinhold Gall: „Die Landesregierung hat die ordnungsgemäße Umsetzung des Geldwäschegesetzes über eineinhalb Jahre verzögert“
Die SPD-Fraktion kritisiert heftig das überaus zögerliche Vorgehen der Landesregierung gegen Geldwäsche in Baden-Württemberg. Die Landesregierung habe die organisatorische Umsetzung des deutschen Geldwäschegesetzes vom August 2008 über eineinhalb Jahre versäumt, erklärte Reinhold Gall, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. „Die Landesregierung hat es mit Schlamperei und anhaltender Nichttätigkeit geschafft, die Aufsicht über die Geldwäsche teilweise lange Zeit zu verzögern“, sagte Gall. „Hier wird einmal mehr deutlich, wie sehr die schlechte Qualität der Regierungsarbeit das Land beeinträchtigt“, sagte Gall. „Offenbar hat die Verbrechensvorbeugung keine Priorität für die Landesregierung.“ (Antwort: Drs. 14/5572).
Nach dem Gesetzesbeschluss vom August 2008 sei erst eine Rüge des Bundes im Juli 2009 notwendig gewesen, bevor das Landeskabinett im Dezember 2009 eine organisatorische Regelung der Landesaufsicht für den Immobilien- und Versicherungsbereich beschlossen und diese dem Regierungspräsidium Karlsruhe zugeordnet habe. Die damit verbundenen zusätzlichen acht Überwachungsstellen werden deshalb ihre Tätigkeit erst im Jahr 2010 aufnehmen können, also eineinhalb Jahre nach Erlass des Gesetzes.
Gall kritisierte außerdem die geringe Auskunftsbereitschaft und Sachkunde der Landesregierung bei diesem Thema. Auch angesichts der gravierenden Vorwürfe in den Medien über mangelnde Aufsicht des Landes bei der Geldwäsche erwartet er eine konstruktivere und offenere Herangehensweise sowie sachdienlichere Auskünfte gegenüber dem Landtag. So hätten die öffentlichen Vorwürfe insbesondere eine laxe Kontrolle der Landesregierung bei der Geldwäsche über Immobilien- und Versicherungsgeschäfte sowie über das Glücks- und Wettspielgewerbe betroffen. Dennoch sei die Landesregierung in ihrer Antwort nicht in der Lage gewesen, die Geldwäsche in diesen speziellen Bereichen zu erläutern, kritisierte Gall.
Die dargelegte polizeiliche Gesamtstatistik zur Geldwäsche in Baden-Württemberg weise aber für das Jahr 2008 mit insgesamt 813 Geldwäscheverdachtsanzeigen und 271 Delikten eine hohe Zahl auf, zumal das neue Geldwäschegesetz erst im August 2008 in Kraft getreten sei. Leider gebe die Landesregierung weder Auskunft über die Entwicklung im Jahr 2009 noch einen Vergleichsbericht zu den Vorjahren bekannt.
Als gravierende Regelungslücke bezeichnete Gall den Umstand, dass beispielsweise Spielhallen und Wettbüros nicht den besonderen Verpflichtungen des Geldwäschegesetzes unterworfen seien. Der Verweis der Landesregierung, dass Sportwettbüros nach dem Glücksspielstaatsvertrag nicht erlaubt seien, sei zwar richtig, aber in der Sache wenig hilfreich. Schließlich bestehen in Baden-Württemberg seit Jahren rund 500 dieser Sportwettbüros, wie die Landesregierung an anderer Stelle eingeräumt hat (vgl. LT-Drs. 14/4936 S. 21).
Jedenfalls bestätige die Landesregierung in ihrer Antwort, dass bei der EU vor wenigen Wochen eine Beschwerde über die mangelhafte Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie in Deutschland eingegangen sei. Der Beschwerdeführer rügt, dass nicht alle von der EU-Richtlinie erfassten Bereiche vom deutschen Geldwäschegesetz abgedeckt würden. Bei dieser Beschwerde spiele auch eine Rolle, dass die Landesregierung die organisatorische Umsetzung des deutschen Geldwäschegesetzes über ein Jahr lang versäumt habe. Die EU-Kommission behalte sich – je nach Ausgang des Beschwerdeverfahrens – die erneute Einleitung eines Verfahrens wegen Vertragsverletzung gegen Deutschland ausdrücklich vor. „Hier wird besonders deutlich, dass die Bekämpfung der Geldwäsche einen viel zu geringen Stellenwert für die Landesregierung hat“, sagte Gall. „Wenn erst die EU kommen muss, um das Land an seine Pflichten bei der Verbrechensbekämpfung zu erinnern, wirft dies ein eindeutiges Licht auf die Qualität der hiesigen Regierungsarbeit.“
Stuttgart, 11. Januar 2010
Dr. Roland Peter
Pressesprecher